Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sehnsuchtsland

Sehnsuchtsland

Titel: Sehnsuchtsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inga Lindström
Vom Netzwerk:
Himmel hing dunkel und grau über dem Land, und eine matte Dämmerung ließ die Umrisse des nahen Waldes verschwimmen, fast so, als wäre die Nacht hereingebrochen.
    »Sie ist die Tochter eines Feriengastes«, fügte Lena mühsam hinzu. »Sie hatte einen Unfall...«
    Elinor versetzte sie in Erstaunen. »Was kann ich tun?«, fragte sie sachlich.
    »Sie ist klatschnass und könnte eine Decke brauchen.«
    Elinor senkte zustimmend den Kopf, dann wandte sie sich stumm ab und eilte zum Pförtnerhaus.

    *

    Etwas hatte sich verändert, das spürte Elinor. Vielleicht lag es daran, dass sie sich auf einmal selbst ganz fremd vorkam, wie ein Mensch, den sie lange nicht getroffen hatte. Es war ein komischer Vergleich, doch er schien zu passen. Nicht, dass es ein schlechtes Gefühl gewesen wäre, im Gegenteil.
    Es erfüllte sie mit einer gewissen Zufriedenheit, dem Mädchen die Decke umzulegen und ihr die Tasse mit dem heißen Kräutertee zu reichen, den sie in aller Eile drüben in ihrer kleinen Küche im Pförtnerhaus zubereitet hatte.
    »Trink das«, sagte sie leise. »Schmeckt vielleicht nicht so toll, ist aber gut zur Beruhigung. Du hast einen Schock erlitten.« Sie legte den Arm um die Kleine und empfand dabei eine seltsam tröstliche Zuneigung. »Gleich wird dir wärmer.«
    Lena beobachtete es mit unbewegter Miene. »Ich gehe dann mal raus und schaue, wo Magnus bleibt.« Mit raschen Schritten verließ sie die Halle.
    Emma blickte fragend zu Elinor auf. »Wer sind Sie?«
    »Ich bin Elinor.«
    »Gehört Ihnen Marielund?«, fragte Emma eifrig. »Es ist schön hier! Ein bisschen wie verzaubert.«
    »Das hat mein Sohn auch immer gesagt.« Elinor schluckte und schüttelte den Kopf, als müsse sie einen Spuk vertreiben. Sie glitt von der Sessellehne und nahm das Laken, das auf den Boden gefallen war. Behutsam breitete sie es über das zerbeulte Motorrad und strich sanft mit den Fingerspitzen darüber. »Ein bisschen wie verzaubert...«, flüsterte sie.
    »Und wo ist Ihr Sohn jetzt?«, wollte Emma wissen.
    Draußen fuhr ein Wagen vor, und Elinor war froh, nicht antworten zu müssen. »Das wird wohl dein Vater sein.«

    *

    Magnus sprang aus dem Wagen, erleichtert, Lena oben auf der Veranda stehen zu sehen.
    »Hier seid ihr! Ich habe euch schon überall gesucht!«
    »Emma ist drinnen.« Sie kam die Treppe herunter. »Tante Elinor kümmert sich um sie.«
    Ein paar Sekunden lang standen sie einander stumm gegenüber. Magnus wollte etwas sagen, aber er war zu durcheinander. Dann gelangte er zu dem Schluss, dass er sich sowieso zuerst um Emma kümmern musste. Alles andere konnte warten. Immer drei Stufen auf einmal nehmend, lief er die Freitreppe hinauf und dann in die Halle.
    »Papa!«
    Mit wenigen Schritten war Magnus bei ihr und hob sie auf seine Arme. »Tut mir Leid, Schätzchen, dass es so lange gedauert hat. Du bist sehr tapfer! Gleich sind wir im Krankenhaus, da bekommst du etwas gegen die Schmerzen!«
    Er war schon auf dem Weg zur Tür, als Emma an seinem Hemd zupfte. »Moment noch.«
    Er blieb stehen, und Emma drehte den Kopf. »Wiedersehen, Elinor. Und — danke!«
    Magnus merkte zu seiner Verlegenheit, dass er Elinor völlig übersehen hatte. Hastig besann er sich auf seine gute Erziehung und beeilte sich, den Fehler wettzumachen. »Ich danke Ihnen auch, Frau Frödin.«
    Draußen blieb er vor Lena stehen und blickte ihr in die Augen. Es bestand keine Notwendigkeit, ihr die Frage zu stellen, doch er tat es trotzdem. »Kommst du mit?«
    Sie nickte stumm und folgte ihm zum Wagen. Elinor blieb allein zurück. Die Arme fröstelnd um ihren Körper geschlungen, stand sie reglos da, inmitten ihrer zugedeckten Möbel, um sie herum die Schatten der Vergangenheit.

    *

    Lena überlegte sich, was ihr mehr zusetzte — die Sorge um Emma, die Frage, was mit ihr und Magnus werden sollte, oder die Tatsache, dass sie immer noch völlig durchnässt war und sich wahrscheinlich eine Lungenentzündung holen würde, wenn sie noch länger hier auf dem zugigen Krankenhausflur herumstehen musste. Im Hintergrund sprach Magnus mit dem Dienst habenden Arzt, und Lena schnappte ein paar Fetzen der Unterhaltung auf, der zufolge der Knöchel nur angebrochen sei und dass Emma, sobald ihr eine Schiene angelegtworden sei, wieder nach Hause dürfe.
    Wenigstens in dem Punkt gab es Grund zur Entwarnung. Stumm wartete sie, bis Magnus zu ihr herüberkam.
    Erleichterung malte sich auf seinem Gesicht. »In ein paar Wochen ist wieder alles in Ordnung!«
    »Gott sei

Weitere Kostenlose Bücher