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Sehnsuchtsland

Sehnsuchtsland

Titel: Sehnsuchtsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inga Lindström
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Hanna. Sieh nach vorn!«
    Seine kleine Ansprache hätte vielleicht mehr Eindruck auf sie gemacht, wenn nicht in diesem Moment sein Handy geklingelt hätte. »Tut mir Leid. Ich habe ganz vergessen, es abzuschalten.« Er zog es aus der Hosentasche und warf einen Blick auf das Display, wobei er unauffällig darauf achtete, dass Hanna nicht mitlesen konnte.
    Er drückte auf abweisen und lachte gekünstelt. »Die müssen sich beim Gericht noch daran gewöhnen, dass sie auf mich verzichten müssen!«
    »Das wird ihnen schwer fallen. Magst du Kaffee?«
    »Gern.«
    Nervös wartete Erik, bis sie in der Kajüte verschwunden war, dann drückte er auf die Wahlwiederholung. »Bitte, Elsa. Ruf mich nicht mehr an.« Er hatte die Stimme zu einem Flüstern gesenkt und starb tausend Tode, weil er fürchtete, Hanna könnte etwas mitbekommen. »Es ist vorbei!«

    *

    Niclas stellte den Kombi hinterm Haus ab und nahm seine Tasche und den Drachen vom Rücksitz.
    »Pelle?« Er schaute sich suchend nach seinem Sohn um, entdeckte ihn aber nirgends. »Pelle!«, rief er erneut, diesmal lauter. Niclas brannte förmlich darauf, den Drachen auszuprobieren. Er hatte schon immer eins von diesen modernen Dingern kaufen wollen, die mit zwei Haltegriffen bedient wurden und mit denen man wahre Kunststückchen in der Luft vollführen konnte. Der Drachen, den er als Kind besessen hatte, war aus Seidenpapier gewesen, das auf einem Holzgestell befestigt war. Damals war es mehr oder weniger darum gegangen, den Drachen in die Luft zu kriegen und ihn dann oben zu behalten, während es bei den heutigen Nylonfliegern eher darauf ankam, möglichst kühne Pirouetten und Überschläge zu schaffen.
    Niclas ging ins Haus. Es roch nach Essen, und als er einen kurzen Blick in die Küche warf, sah er, dass das Frühstücksgeschirr noch nicht abgeräumt war. Der Abwasch von gestern Abend stand auch noch in der Spüle.
    Niclas spürte einen Anflug von hilflosem Zorn und fragte sich, wieso zum Teufel er einer Haushälterin eine Menge Geld dafür bezahlte, dass sie es nicht mal ansatzweise schaffte, den Haushalt zu erledigen.
    Dann tröstete er sich mit dem Gedanken, dass sich das ab nächstem Monat ohnehin erledigt hätte. In Stockholm würde er sich einfach jemand anderen zum Saubermachen und für die Betreuung von Pelle suchen. Die Wohnung zu finden war der erste Schritt gewesen, alle weiteren würden wie von allein folgen.
    Er stellte seine Tasche ab und legte den Drachen zur Seite.
    »Pelle? Lina? Keiner da?«
    Lina kam die Treppe herunter. Sie hatte eine Reisetasche in der Hand und sah auch sonst ganz danach aus, als sei sie in Aufbruchstimmung. »Da sind Sie ja endlich, Herr Doktor Söderlind.«
    »Tut mir Leid, dass ich so spät bin.« Mit wachsender Besorgnis blickte Niclas auf ihre Reisetasche. Es war dasselbe hässliche alte Ding, mit dem sie hier vor drei Monaten eingezogen war. Niclas begriff im selben Augenblick, dass selbst eine schlechte Haushälterin immer noch besser war als gar keine. Lina mochte sich ständig über ihre Wechseljahrsbeschwerden beklagen, sich an seinem Aquavit vergreifen, beim Bügeln Löcher in seine Hemden brennen und den Abwasch vergessen — aber sie war immerhin da, wenn er weg war. Er konnte Pelle ja nicht einfach ohne Aufsicht lassen. Lina war bereits die vierte Haushälterin in zwei Jahren, und wie es aussah, würde er bald nach Nummer fünf Ausschau halten müssen.
    Einen Moment lang gab Niclas sich der stillen Hoffnung hin, dass sie vielleicht einfach nur diese Tasche entsorgen wollte, weil sie so schäbig war. Ganz in der Nähe gab es eine Sammelstelle der Heilsarmee.
    Doch es war nicht zu übersehen, dass sie ihr blaues Ausgehkleid angezogen hatte, das sie sonst höchstens sonntags trug. Und sie hatte sich die Haare onduliert, das hatte sie zuletzt getan, als sie beim Pfarrfest gewesen war.
    Niclas unterdrückte ein Seufzen und stellte die unvermeidliche Frage.
    »Wollen Sie verreisen, Lina?«
    »Ich muss nach Uppsala. Meine Schwägerin hatte einen Unfall. Meine Familie braucht mich.«
    Soweit Niclas informiert war, hatte sie ihr Leben lang weder einen Ehemann noch Geschwister gehabt, sodass sich ernstlich die Frage stellte, wie sie an eine Schwägerin gekommen war. Doch er hatte eine ungefähre Ahnung, was sie tun würde, wenn er sie der Lüge bezichtigte. Wahrscheinlich wäre sie noch schneller draußen als sie es sowieso vorhatte.
    Auf dem Weg zur Tür drückte sie ihm einen Zettel in die Hand. »Meine Adresse. Da können

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