Sehnsuchtsland
ihm hoch. »Ach ja?«
Er nahm eine Zeitschrift von einer alten Holzkiste. »Seite zwölf.«
»Ich weiß. Ich habe zu Hause ein Belegexemplar.«
Jan schlug die Zeitschrift auf und klopfte mit der Hand auf die Seite. »Hier. Erster Preis: Sofa Vaxholm . Design: Hanna Bellmann.« Er schaute sie bewundernd an. »Sie sind ja ein richtiger Star!«
»Ach was.« Halb geschmeichelt, halb verlegen spielte sie mit dem Holzstück herum. »Ich habe einen Preis bekommen. Das ist ganz schön, aber...« Sie zögerte und zerknitterte ein Stück von dem Schleifpapier zwischen ihren Fingern. »Richtig wichtig fürs Leben ist das nicht.«
Jan ließ sich nicht beirren. »Gefällt mir aber, das Sofa. Haben Sie gut gemacht.«
Hanna zuckte mit den Achseln, und Jan fuhr fort: »Anscheinend sind Sie wirklich begabt. Können Sie es sich denn da leisten, einfach so ein Jahr lang wegzufahren? Wird sich im nächsten Sommer noch jemand an Sie erinnern?«
»Das will ich doch schwer hoffen.« Hanna ließ sich nicht anmerken, dass er einen wunden Punkt bei ihr berührt hatte. »Und außerdem... Vielleicht mache ich dann ja auch was ganz anderes. Es gibt jede Menge interessante Dinge. Und manchmal braucht man eine neue Herausforderung.« Es klang trotzig, als wolle sie sich selbst überzeugen. Sie starrte auf das Holzstück in ihren Händen. Es war noch roh und unfertig, hatte aber bereits Gestalt angenommen, die Form einer schlanken Möwe. Zu ihren Füßen lag ein weiteres Stück Holz, länger und schmaler als dieses hier. Es würde einer der Flügel werden.
Jan betrachtete die Holzmöwe und wiegte den Kopf. »Was anderes... Hm.« Er warf die Zeitung auf den Tisch, nahm eine Zange von der Werkzeugbank und wandte sich wieder dem Boot zu. »Na dann mal los.«
Hanna bog das Schleifpapier zurecht und widmete sich wieder ihrer Möwe.
*
Im kleinen Salon neben der Hotellobby prasselte ein Feuer im Kamin. Hanna hatte es sich in einem der Sessel bequem gemacht und starrte in die Flammen.
Lotta brachte ein Tablett mit Tee und Sandwiches herein, das sie auf einem Sideboard abstellte.
»Na, wo sind Sie mit Ihren Gedanken?«
Hanna stützte ihr Kinn mit der Hand ab. »Irgendwo zwischen Australien und Neuseeland. Ich fragte mich gerade, ob wir tauchen lernen werden.«
Lotta reichte ihr eine Tasse Tee. »Das hätte ich damals wohl auch besser tun sollen.« Als Hanna fragend aufschaute, fuhr sie fort: »Mir den Wind um die Nase wehen lassen, statt hier Trübsal zu blasen.«
Sie ging vor dem Kamin in die Hocke und legte ein frisches Scheit ins Feuer. Die aufstiebenden Funken warfen zuckende Lichtreflexe auf ihr Gesicht, und Hanna sah, dass sich ein harter Zug um Lottas Mund eingegraben hatte. Sie wollte eine Frage stellen, besann sich aber. Was immer Lotta ihr erzählen wollte — sie würde es von sich aus tun.
Lotta richtete sich auf und blieb mit dem Rücken zum Kamin stehen. »Wissen Sie, es gab eine Zeit, da hat mein Mann mich betrogen, und ich habe sehr lange gebraucht, um mein Selbstbewusstsein wieder zu finden. Das war eine harte Zeit für mich.« Sie schwieg ein paar Sekunden, in un-erfreulichen Erinnerungen versunken. Doch dann verlor sich ihr schwermütiger Gesichtsausdruck und wich einem entschlossenen Lächeln, während sie sich Hanna gegenüber in einen Sessel setzte.
»Sie wirken, als hätten Sie alles im Griff«, sagte Hanna vorsichtig. Sie nahm einen Schluck von dem heißen Tee und schaute Lotta abwartend an.
»Das habe ich auch.« Lotta lachte kurz auf, doch dann schüttelte sie den Kopf. »Dennoch — verzeihen kann ich ihm nie.«
»Es sieht aber so aus, als würde er Sie noch lieben.«
»Ja.« Lottas Blicke irrten ab. »Vielleicht liebe ich ihn auch noch. Aber was heißt das schon. Ich kann ihm nicht vergeben.« Es klang endgültig.
Aus der Halle waren Schritte zu hören, und ein paar Sekunden später betrat Erik den Salon. »Guten Abend!«
Lotta stand auf. »Guten Abend. Na, wie war der Ausflug mit dem Boot?«
»Hervorragend!«
In Hannas Ohren klang seine Begeisterung nicht ganz echt. Sie drehte sich nicht zu ihm um, sondern hielt sich an ihrer Teetasse fest wie an einem Rettungsanker.
Lotta verließ den Salon, und Erik trat zu Hanna und ging neben ihrem Sessel in die Hocke. Ihre Augen befanden sich auf gleicher Höhe, und er schaute sie eindringlich an, fast so, als wolle er ihr etwas Wichtiges mitteilen. Seine Hand lag hinter ihr auf der Sessellehne, und seine Finger trommelten in nervösem Stakkato auf dem Bezug
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