Sehnsuchtsland
kochte Kaffee und ging mit einer solchen Selbstverständlichkeit ins Haus, als gehörte sie hierher. Vermutlich hatte sie auch die Plätzchen gebacken und die vielen Topfblumen zum Haushaltbeigesteuert. Lotta hatte ihr erzählt, dass Siv den so genannten grünen Daumen besaß und sich hingebungsvoll um alles kümmerte, was im Solros in Kübeln und Töpfen grünte und blühte.
Niclas riss sie aus ihren Gedanken. »Wir sehen uns doch noch mal, oder?«
»Ich weiß nicht. Spätestens übermorgen bin ich nicht mehr da.« Hanna zögerte, weil der Abschied ihr plötzlich so schwierig erschien. Alles in ihr weigerte sich, ihn einfach hier stehen zu lassen. Aber drüben im Haus war Siv, es war ja nicht so, als wäre er allein.
Hanna holte Luft. »Danke für den Kaffee.«
Er nahm ihre Hand und hielt sie fest, während er sich vorbeugte und sie auf die Wange küsste. Sie spürte seine Nähe mit derselben Intensität wie vorhin bei den Felsen, und unwillkürlich strebte sie ihm entgegen wie eine Blume der Sonne, nur eine Winzigkeit, um den Druck seiner Lippen auf ihrer Haut länger auskosten zu können.
Niclas ließ ihre Hand los und suchte ihre Blicke, und in der nächsten Sekunde beugte er sich entschlossen vor, um sie auf den Mund zu küssen. Seine Lippen waren nur einen Hauch von den ihren entfernt, als sie zurückzuckte und ihn entsetzt anstarrte.
Um Himmels willen, was tat sie eigentlich hier? War sie verrückt geworden? Sie war drauf und dran, sich in diesen Arzt zu verknallen, und das am Vorabend einer Weltumseglung mit ihrem Mann, der ihr versprochen hatte, alles zu tun, um ihre Ehe zu retten!
»Wiedersehen«, sagte sie mit abgewandtem Gesicht, bevor sie mit schnellen Schritten über den Rasen in Richtung Straße davonging.
Siv kam mit einer Tasse Kaffee aus dem Haus und reichte sie Niclas. Sie sah Hanna zwischen den Bäumen verschwinden und seufzte. »Sie ist wirklich zu beneiden. Alles stehen und liegen lassen und einfach abhauen... Ein Jahr um die Welt segeln, mit einem Mann, den man liebt... Sie muss richtig glücklich sein.«
Niclas hatte ihr den Rücken zugekehrt. Er wollte nicht, dass sie sein Gesicht sah. Etwas von dem heißen Kaffee schwappte über und verbrannte seine Hand. Er achtete nicht darauf, denn es tat lange nicht so weh wie der Augenblick, in dem sie gegangen war.
*
Erik fragte sich, ob sie die Stelle finden würde. Er hatte es ihr beschrieben, aber hier in der Gegend gab es so viele zerklüftete kleine Buchten, von denen eine aussah wie die andere. Er ging vom Steg ein Stück am Ufer entlang, kletterte ein geducktes, blank gescheuertes Felsmassiv hinauf und betrachtete die Gegend. Von hier aus hatte er sowohl das Ufer als auch die Straße im Blick. Die Hände in den Hosentaschen, stand er da und wartete. Er fragte sich, ob es Elsa hier gefallen würde. Wie Hanna hatte sie ein Auge für schöne Dinge, aber nicht auf dieselbe Art. Sie genoss es ganz anders als normale Menschen, wenn ihr etwas gefiel. Sie konnte sich mit solcher Intensität für neue Erfahrungen begeistern, dass sie jeden in ihrer Nähe mitriss. Erik versuchte, die Schären mit Elsas Augen zu sehen. Wenn die Sonne auf nackten Granit fiel, erzeugte sie einen zwischen schiefergrau und mattrosa changierenden Schimmer, während bei wolkenverhangenem Himmel alles Licht von dem steinigen Untergrund verschluckt wurde. Das strömende Wasser leuchtete bei Sonnenlicht so blau wie Lapislazuli, und an Regentagen schien es unter einem farblosen Schleier zu liegen. Zwischen lieblicher Helligkeit und abweisender Tristesse wechselnd, war dies ein Land der unterschiedlichsten Stimmungen. Elsa würde es mögen. Erik hörte das Geräusch eines näher kommenden Wagens, und im nächsten Moment sah er ihr Cabrio zwischen den Föhren unten an der Straße auftauchen. Elsa bremste abrupt, als sie seiner ansichtig wurde. Sie stieg aus und ließ die Fahrertür offen stehen. Die Absätze ihrer Pumps klapperten auf dem Asphalt, als sie auf ihn zugerannt kam. Mit Tränen in den Augen warf sie sich in seine Arme und klammerte sich an ihm fest. Erik hielt sie umschlungen und vergrub sein Gesicht in ihrem Haar, dann suchte er ihre Lippen und küsste sie verlangend. Sie drängte sich ihm entgegen und erwiderte seinen Kuss mit zügelloser Leidenschaft. Erik stöhnte und hielt sie an sich gepresst, während er sich fragte, was um alles in der Welt er sich eigentlich dabei gedacht hatte, sie herzubestellen und sich dabei auch noch einzureden, es könne ihnen
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