Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sehnsuchtsland

Sehnsuchtsland

Titel: Sehnsuchtsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inga Lindström
Vom Netzwerk:
beiden nützen. Alles wurde nur schlimmer dadurch. Er würde sie gehen lassen müssen und sich hinterher wie ein Krüppel fühlen.
    »Bleib bei mir«, flüsterte Elsa in seinen Hemdkragen.
    Er schob sie ein Stück von sich weg, um sie betrachten zu können. Trotz ihrer vom Weinen geschwollenen Augen war sie makellos schön mit ihrer porzellanhellen Haut, den großen dunklen Mandelaugen und dem pechschwarzen Haar. Sein Schneewittchen. Sie trug ein scharlachrotes, eng anliegendes Kleid und dazu passende Ohrklipse. Ihr Make-up war eine Spur zu dick aufgetragen, aber das tat ihren Reizen keinen Abbruch. Im Gegenteil, sie unterstrich damit nicht nur ihren Typ, sondern auch ihren Charakter. Sie wollte von allem immer zu viel, und sie nahm es sich, wenn sie es bekommen konnte. Sie wurde von einem inneren Feuer verzehrt, wie eine Rakete, die an beiden Enden zugleich brannte. Und wenn er sich an ihr festhielt, nahm sie ihn mit auf ihrem Überschallflug durchs Leben.
    Seufzend drückte er ihren Kopf an seine Brust.
    »Wieso nehmen wir nicht einfach das Boot und hauen ab?«, fragte sie hitzig. »Es passt einfach nicht zu Hanna, um die Welt zu segeln! Sie wollte immer nur eine Familie!« Sie trat einen Schritt zurück. »Ihr habt noch nie richtig zusammengepasst! Du kannst doch nicht alles wegwerfen, nur, weil du Schuldgefühle hast!«
    Erik verschränkte die Arme und schaute über das Land. Da, wo der felsige Untergrund in Grün überging, wiegte sich Strandhafer im Wind, in Eriks Augen ein passendes Symbol für seine eigene Orientierungslosigkeit.
    »Sie braucht mich, Elsa. Sie war so verzweifelt!«
    »Ich brauche dich auch!« Wütend ging sie ein paar Schritte von ihm weg und stieg über den steinig abfallenden Abhang in die kleine Senke zu ihrer Rechten hinab, ein wegen ihrer hohen Absätze mühseliges und nicht ganz ungefährliches Unterfangen. Erik folgte ihr besorgt und fragte sich, was er wohl tun würde, wenn sie hier zu Fall käme und sich den Knöchel verstauchte. Vermutlich würde es ihr gut in den Kram passen. Sie hatte unbestreitbar einen Hang zu dramatischen Aktionen. Zu allem Überfluss war genau das eine der Eigenschaften, die er an ihr so liebte. Man wusste nie, was sie im nächsten Moment tun würde. Das Leben mit ihr war wie eine Achterbahnfahrt, die nie endete.
    »Andere Frauen haben auch ein Kind verloren«, sagte Elsa. »Sie wird darüber hinwegkommen.«
    »Sie ist fast gestorben.« Erik brachte es kaum heraus. »Und ich war daran schuld!«
    Sie fuhr zu ihm herum. »Hör endlich auf, dich zu quälen! Es war ein unglücklicher Zufall!« Sie nahm seine Hand und drückte sie gegen ihre Wange, sodass er die Feuchtigkeit von ihren Tränen spüren konnte. »Wenn Hanna wüsste, wo du wirklich gewesen bist...«
    »Sie weiß es aber nicht!« Er schrie es fast. »Und sie wird es auch nie erfahren!« Er ließ ihre Hand los und wandte sich ab. »Ich kann sie nicht verlassen.«
    »Wieso bist du nur so feige?« Elsa schluchzte unterdrückt auf und drehte sich von ihm weg, die Arme fest um den Oberkörper geschlungen.
    Erik schaute sie nur hilflos an. »Ich weiß nicht, ob ich feige bin. Vielleicht. Aber auf jeden Fall werde ich nichts tun, was Hanna noch mehr verletzen könnte.«
    Langsam trat er hinter sie und umfing sie mit beiden Armen. Stumm drückte er sie an sich und lauschte voller Selbsthass ihrem trostlosen Weinen.

    *

    Jan legte den Hammer weg und stieg aus dem Boot, an dem er gerade die lockere Ruderbank befestigt hatte. Die Mi randa dümpelte auf der anderen Seite des Stegs, und Hanna schaute sie düster an. So lange die fehlenden Ersatzteile nicht eintrafen, würden sie nicht auslaufen können.
    Sie hockte vor einer Reihe rostiger Anker auf dem buckligen Felsufer und polierte mit Schleifpapier ein Stück Weichholz, das sie inmitten eines Stapels von Holzabfällen gefunden hatte.
    Jan rieb sich mit einem Lappen die Finger ab und verteilte dadurch das Ol und den Dreck erst richtig. Sein Gesicht hatte auch ein paar Flecken abgekriegt, was seinen Charme aber nicht beeinträchtigte. Der Wind zauste sein kurzes Haar, und in seinen Augenwinkeln zeigten sich unzählige Lachfältchen, als er Hanna anstrahlte.
    »Schön, dass Sie mir Gesellschaft leisten!«
    Hanna griente. »Ich will nur, dass das Boot schneller fertig wird.«
    Jan warf den Lappen auf einen Arbeitstisch, auf dem Dosen mit Farbe, Teer und Rostschutzmittel aufgereiht standen.
    »Ich weiß übrigens, wer Sie sind, Hanna.«
    Sie blinzelte verblüfft zu

Weitere Kostenlose Bücher