Sehnsuchtsland
bittet dich dein alter Freund Harald, es dir nochmals zu überlegen!«
Erik zog seinen Bademantel über und verknotete den Gürtel. »Bei näherem Hinsehen ist das auch nur ein Job wie jeder andere«, meinte er wegwerfend. »Außerdem gibt es in der Justiz jede Menge anderer interessanter Posten.« Er bückte sich, um in seiner Reisetasche zu kramen. Mit einem Paar Socken tauchte er wieder auf und hielt sie amüsiert hoch. »Da sind ja welche! Ich hatte schon Angst, ich ginge mit zu wenig Socken auf Weltreise.«
Hanna ließ sich von seinem Versuch, die Sache zu bagatellisieren, nicht beirren. »Wieso, Erik?«
Verärgert warf Erik die Socken zur Seite. »Meine Güte, es hat mir eben nicht in meine Pläne gepasst!« Er merkte offenbar, dass er sich im Ton vergriffen hatte. »Komm, Schatz, lass uns aufs Boot gehen, wir müssen Jan Beine machen. Wir sind schon viel zu lange hier.«
Er wollte an ihr vorbei ins Bad, doch Hanna trat ihm in den Weg.
»Du hast diese Stelle abgelehnt, weil du mir versprochen hattest, die Weltumsegelung zu machen? War es so? Nur deswegen?«
Erik schwieg. Ihm war anzusehen, wie sehr ihn dies alles nervte. Hanna versuchte, ihre wirren Gedanken unter Kontrolle zu bringen. »Meinetwegen hast du deinen Traumjob geopfert?« Ihre Stimme schwankte vor unterdrückten Emotionen. »Erik!«
»Sagen wir: unseretwegen.« Ungeduldig hob er die Hände. »Himmel, Hanna, es ist nur ein Job!«
Sie ging zum Bett, wo sie mit dem Rücken zu ihm stehen blieb und auf die zerwühlten Laken starrte.
»Du hättest das nicht tun dürfen«, stieß sie hervor.
»Es ging mir um uns, Hanna. Bei Gott, du bist mir wichtiger als jeder Job der Welt!«
Hanna empfand es wie einen Boxhieb in den Magen. Sie drehte sich zu ihm um und starrte ihn an, bevor sie die Blicke wieder senkte. Halb von ihm abgewandt, sagte sie wie zu sich selbst: »Ich weiß nicht, ob ich das wert bin.«
Er trat auf sie zu und machte eine Bewegung, als wolle er sie in die Arme nehmen, doch dann strich er ihr nur über die Schulter.
»Wir hatten uns fast verloren«, sagte er. »Ich... ich will dich wieder finden.«
Hanna zwang sich, zu ihm aufzusehen und zu ergründen, was in ihm vorging. Sie suchte in seinem Gesicht einen Ausdruck, eine Regung, irgendetwas, ohne wirklich zu wissen, wonach sie eigentlich Ausschau hielt. Vielleicht hätte sie es gefunden, wenn er ihr in die Augen geblickt hätte. Doch er hatte den Kopf zur Seite gewandt.
*
Jan sah Hanna über die Planken des Stegs näher kommen und verfluchte seinen Rücken, der ihn ausgerechnet in diesem Moment als Schwächling entlarvte. Der Schmerz war schlimmer als sonst, er hatte angefangen, sich über die Seite in die Brust hinein auszubreiten. Wahrscheinlich hatte er sich beim Arbeiten ernstlich einen Nerv eingeklemmt. Wenn es so weiterging, würde er sich bald überhaupt nicht mehr bewegen können.
Er legte die Bohrmaschine auf die Sparren des neuen Bootes, an dem er gerade arbeitete, und drückte beide Hände ins Kreuz. Während er versuchte, den schlimmsten Schmerz wegzureiben, lächelte er Hanna entgegen. Zu seinem Verdruss war ihr nicht entgangen, dass er sich nicht wohl fühlte. Ein besorgter Ausdruck stand in ihren Augen. » Hej , Jan! Haben Sie Probleme mit dem Rücken?«
»Ach was, halb so schlimm«, behauptete er. »Muss mich irgendwie verhoben haben.«
»Vielleicht sollten Sie sich mal massieren lassen.«
»Ich kannte da mal jemanden. Sie war das reinste Glück für meinen Rücken.«
»Was ist aus ihr geworden?
»Wir haben uns getrennt«, sagte er lakonisch.
»Das tut mir Leid.« Hanna trat neben ihn und schaute ihm über die Schulter. »Gibt es denn wirklich keine Möglichkeit für Sie und Ihre Frau?«
Jan nahm die Bohrmaschine wieder in die Hand, merkte aber, dass er sie kaum halten konnte. Er tat, als müsse er etwas an dem Bohrkopf richten, und legte die Maschine dann kurzerhand zurück zu den übrigen Werkzeugen. Dabei widerstand er dem Drang, seine Hand unter die linke Achsel zu pressen, wo der Schmerz soeben in ein reißendes Ziehen übergegangen war. »Ich habe heute Morgen mit England telefoniert«, sagte er schroff und ohne auf Hannas letzte Frage einzugehen. »Die haben das Ersatzteil gestern dem Kurier übergeben.«
»Also müsste es heute kommen?« Hannas Miene spiegelte hoffnungsvollen Eifer. »Prima, dann können wir ja heute Abend schon auslaufen!«
Dann schien ihr plötzlich ein Gedanke zu kommen, und sie wandte sich brüsk ab, um ans Ende des Stegs
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