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Sehnsüchtig (German Edition)

Sehnsüchtig (German Edition)

Titel: Sehnsüchtig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanne Woodtli
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geschrieben. Er presst die Lippen zusammen, greift nach dem Türhebel und zündet sich eine Zigarette an, zur Beruhigung? Ihm kommen die Filme in den Sinn, wo zum Tod Verurteilte vor der Hinrichtung nach einer letzten Zigarette verlangen. Scheisse, sei nicht so melodramatisch. Er raucht die Zigarette zu Ende, strafft den Rücken und marschiert durch den Vorgarten, die Reisetasche in der einen Hand, den Gitarrenkoffer über der Schulter, mit Schritten, die entschlossener aussehen als er sich fühlt. „Hallo, ich bin wieder da“, ruft er in den Flur mit einer Stimme, die – so hofft er – ruhig klingt.
    „Eli?“, hört er Irinas Stimme. Dann folgt ein Quietschen, irgendwo zwischen entzückt und ungläubig. Einen Augenblick später krabbelt Lilli durch die Wohnzimmertür in den Flur, hält inne und ihr Gesicht leuchtet jäh auf. „Dada!“, stellt sie fest und krabbelt auf ihn zu, wird schnell und schneller. „Dada!“ Er kennt das Gefühl, das jetzt in ihm zu übersprudeln scheint. Liebe in ihrer reinsten Form. „Oh Maus“, bringt er hervor und hebt sie hoch, hält den warmen kleinen Körper fest, mein Kind, küsst das dunkle Haar, das ihm länger geworden scheint, atmet ihren Geruch ein, diesen kindlichen Geruch nach absoluter Unschuld. Sie blickt zu ihm auf, mit diesen riesigen Augen, sie sind voll mit Freude. Er küsst ihre Wange. „Kannst du immer noch nicht laufen, Bohne? Dabei hast du doch in drei Wochen Geburtstag.“ Dann spürt er eine Hand an seiner Taille. „Sie übt aber fleissig Stehen“, sagt Irina. Sie blickt zu ihm auf und er kann auch in ihren Augen Freude sehen. „Hallo, schöner Mann.“ Sie stellt sich auf die Zehenspitzen, um ihn zu küssen. Einen Moment lang bekommt er weiche Knie, weil sich sein schlechtes Gewissen mit voller Wucht auf ihn stürzt. Es scheint Zentnerschwer. Er erwidert den Kuss, ihr Geruch vertraut, die Form ihrer Lippen vertraut. Sie schmeckt nach Zuhause. Nach Sicherheit. Nach Vertrauen . „Du hast uns gefehlt!“
    „Ihr habt mir auch gefehlt!“ Er hört sich rau an.
    Sie streicht über seine Wange. „Du siehst erholt aus.“
    „Das bin ich auch, glaube ich. Wie war deine Fahrt?“
    „Gut. Und deine?“
    „Lang – aber ich bin gut durchgekommen.“
    „Und wie ist dieses Èze so? Du schwärmst mir seit Jahren davon vor und wir waren immer noch nicht da ...“ Sie macht einen Schmollmund und bei Eliot schlägt gnadenlos das schlechte Gewissen zu. Ich kann mit dir da jetzt nicht mehr hinfahren, das wäre wie Verrat ... an dir ... an allem, was ich dir versprochen habe. „Èze ist super. Ich war ziemlich alleine. Die Touristen kommen erst im Frühling ...“
    „Irgendwann werden wir da hinfahren“, hält sie fest. Eliot nickt halbherzig. Sie hat die Zukunftsform benutzt. Sie sieht eine Zukunft für uns beide? Alys hatte also Recht. Irina scheint tatsächlich darüber nachgedacht und sich für ihn und für die Beziehung entschieden zu haben. Das sollte ihn eigentlich in Hochstimmung versetzen, aber das geschieht nicht. Er fühlt sich nur noch schlechter. Und leer. Er atmet Lillis Geruch ein. Wie immer wirkt das beruhigend. „Ich wollte eben einkaufen gehen“, meint Irina jetzt. Er ist froh um diesen Satz: Alltag, Normalität . „Ist doch super, dann bleib ich mit der Kleinen hier, das ist einfacher für dich.“ Sie blickt zu ihm auf und drückt seine Hand. Eine irgendwie dankbare Geste.
    „Du bist ein Schatz“, hält sie fest und stellt sich auf die Zehenspitzen, um ihn zu küssen. Nein, das bin ich nicht, schiesst es ihm durch den Kopf. Ich bin ein Feigling, der noch nicht herausgefunden hat, wie er dir die Wahrheit sagen könnte. Tatsächlich scheint es ihm in diesem Moment unmöglich, ihr überhaupt irgendwann die Wahrheit zu sagen.
     
    *
     
    Kann man sich in seiner eigenen Wohnung gefangen fühlen? Alys erscheint es so, nachdem die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen ist. Die Luft schmeckt dick, weil niemand lange nicht gelüftet wurde. Der Flur macht auf abweisend im Zwielicht. Hastig drückt sie den Lichtschalter. Schon viel freundlicher. Sie hängt ihre Lederjacke an den Kleiderständer. Die vom Schneematsch nassen Schuhe hat sie auf dem Fussabtreter stehen lassen. Draussen schneit es. Eigentlich schneit es diesen Winter ununterbrochen – sie kann sich nicht erinnern, wann sie zum letzten Mal die Sonne gesehen hat. Ausser natürlich in Èze, wenn auch da nicht jeden Tag.
    Alys presst sich zwei Finger gegen die Lippen. Sie kann Eliot noch

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