Sehnsüchtig (German Edition)
einen Blick auf Alys’ iMac. Scheisse, das Bildbearbeitungsprogramm. Sie war dabei gewesen, die Fotos aus Frankreich zu importieren als Mascha geklingelt hatte. Mascha muss an ihrem iMac gewesen sein und dabei die Fotos entdeckt zu haben. Suchen musste sie nicht, das Programm war das vorderste offene Fenster. „Ich wollte nur kurz nachschauen, was heute im ‚Mon Amour’ läuft“, setzt Mascha zu ihrer Verteidigungsrede aus. „Da hab ich das Foto von Euch gesehen, mit dem Meer im Hintergrund. Ich wollte dich nicht bespitzeln, wirklich nicht.“
„Ich weiss“, unterbricht Alys. Sie ist nicht sauer auf Mascha. Sie war auch schon ungefragt an Maschas Laptop, um etwas im Internet nachzusehen. Das ist für beide kein Problem. Sie haben keine Geheimnisse voreinander. Normalerweise. „Es macht nichts.“ Sie zerrt an ihrem Rocksaum. „Ich wollte es dir sagen. Ich wusste nur nicht wie.“
„Das ist... du und Eliot ... ich weiss gar nicht, was ich sagen soll.“ Alys lässt ihren Blick sinken. „Ich weiss, es ist abscheulich“, murmelt sie Richtung Parkettboden. Im gleichen Moment klappern Maschas Absätze über den Boden und ihre Hand findet Alys’ Ellbogen. „Schnecke, du weisst, dass ich dich nie für so etwas verabscheuen oder verurteilen könnte. Es ist nur – das bist nicht Du.“ Alys blickt auf. Maschas Blick ist liebevoll. Sie fragt sich, wie sie nur eine Sekunde lang daran denken konnte, es sei eine gute Idee, es Mascha nicht zu sagen, oder Mascha würde es nicht verstehen. „Ich weiss“, sagt sie dann. „Aber es ist mehr als eine Bettgeschichte für mich ... du weisst, dass ich so etwas nicht mache. Ich hätte überhaupt nie daran gedacht, dass ich so etwas je machen würde.“ Tränen steigen ihr in die Augen, aber sie versucht nicht länger, sie herunterzuschlucken oder stark zu sein. Sie würde sowieso kläglich versagen dabei. „Du machst es ja auch nicht einfach so. Du machst es aus Liebe.“ Alys schluchzt auf. „Oh Schnecke ...“, murmelt Mascha und zieht sie an sich. Und Alys weint bis es sie schüttelt. „Ich ahnte schon lange, dass du ihn liebst. Ich hätte eigentlich wissen müssen, dass du nicht alleine in Frankreich warst“, murmelt Mascha und streichelt Alys’ Rücken.
*
Eliot liegt auf dem Sofa, die Knöchel überkreuzt, den Laptop auf dem Schoss. Er liest seine Mails. Es sind verdammt viele. Aber er versucht, sich davon nicht stressen zu lassen. Noch ein ruhiger Abend, bevor morgen wieder die Hölle ausbricht. Es war ein schöner Abend gewesen. Er hat lange mit Lilli gespielt und dann für alle gekocht, als Irina vom Einkaufen und vom Friseur zurückgekommen war. Sie erzählte vom Wellnesshotel und er von Èze. „Hast du dich nie allein gefühlt?“, hatte sie ihn gefragt und schob gleich nach: „Ich habe mich zeitweise wahnsinnig einsam gefühlt, trotz Lilli. Es war seltsam, ohne dich weg zu sein.“ Er verbrannte sich die Zunge an dem Stück Kartoffel, das er sich eben in den Mund geschoben hatte. Seine Augen begannen zu tränen. „Ab und zu“, brachte er dann hervor. Sie ging nicht weiter auf das Thema ein. Zum Glück. Sie sprachen auch nicht über den eigentlichen Grund ihrer Reise, darüber, dass sie über ihre Beziehung nachdenken wollte. Und dass sie behauptete, er sei ausgebrannt und müsse zum Arzt gehen und habe ernsthafte gesundheitliche Probleme.
Wir werden noch darüber reden müssen. Wir müssen über so vieles reden. Alys’ Gesicht taucht vor seinem inneren Auge auf und er beisst sich auf die Innenseite der Wange. Er fragt sich, was sie gerade macht. Sie hatte nicht glücklich ausgesehen heute Vormittag. Kein Wunder. Er lässt sie ja auch hängen. Aber es geht nicht anders. Er muss zuerst sein Privatleben klären, seine eigenen Gefühle klären. Er wirft einen weiteren Blick auf sein Handy. Sie hat sich nicht gemeldet. Ist eigentlich besser so, schliesslich birgt jedes SMS auf die Gefahr, das Irina es sehen könnte. Trotzdem fragt er sich, wo Alys im Moment sein könnte. Unterwegs mit Mascha? Irgendwo im Nachtleben? Oder mit Janosch? Er weiss, dass er nicht darüber nachdenken sollte. Der Gedanke an Janosch sollte ihn nicht ärgern. Er hatte ihn nur zweimal flüchtig gesehen, einmal am Konzert und einmal vor Alys’ Haustür nach dieser ersten Sitzung. Er hat ein gefälliges Gesicht in Erinnerung, mit kantigen Wangenknochen. Ausserdem hat Janosch dunkle Locken. Darauf sollen Frauen ja stehen. Er verdrängt den Gedanken und befördert ein
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