Sehnsüchtig (German Edition)
das nicht, es ist keine Pflicht!“ Er ärgert sich jetzt, und sie sich sowieso. „Es kommt mir aber so vor“, gibt sie zurück. Statt einer Antwort schlingt er einen Arm um ihre Taille und küsst sie heftiger. Ärger ist gut, wirkt wie ein Brandbeschleuniger. Er entfacht sein Feuer, seine Finger finden den Verschluss ihres BHs und sie weiss genau, wie sie ihn berühren muss. Er drängt das schlechte Gewissen beiseite, und auch die Gedanken an eine andere Frau, die blauen Augen, das dunkle Haar. Er verdrängt alles bis auf Irina und er beweist ihr das Gegenteil. Sag nicht, dass ich nicht will. Ich will!
*
Er plant den Auftritt sorgfältig. Wolf Kebel will einen Rockstar verpflichten für „Star Core“, jemanden, der sich den Arsch abtourt, für Presse sorgt, Platten verkauft und möglichst viel Geld in die Kassen von „StarCore“ spült. Wolf Kebel will also einen Rockstar zu Gesicht bekommen heute Abend – ob Kebel den Sarkasmus verstehen wird, mit dem Eliot seinen Auftritt inszeniert, weiss er nicht. Wohl eher nicht. Der Typ hat doch nur Dollarzeichen in den Augen – und bestimmt schon einen Vertrag zum Unterzeichnen bereit. Er würde mich wohl auspressen, noch bevor die Tinte auf dem Papier trocknen konnte.
„Zieh dein kürzestes Kleid an, Darling ...“, sagt er zu Irina.
„Warum?“
„Weil ich mit dir angeben will. Kebel bringt seine Plastikbarbie-Assistentin mit und ich will ihm zeigen, was eine richtige Frau ist.“ Sie grinst. „Schön, ich zieh was Kurzes an. Kebel hat eine Plastikbarbie zur Assistentin?“ Eliot nickt gewichtig. „Sie heisst Jennifer Bürli und ist die Klischeehafteste Blondine, die ein Autor erfinden könnte.“ Irina grinst wieder und öffnet ihren Kleiderschrank. „Und woher kennst du sie?“ Sie bringt die Kleiderbügel auf der Stange zum Klimpern.
„Sie war an Silvester in der ‚Wunderbar’ um mir mitzuteilen, dass Wolf Kebel auf mich steht – ich meine, auf den Gedanken, mich bei ‚StarCore’ zu verpflichten. Frau Bürli hat den armen Raoul ganz durcheinander gebracht. Vor allem mit ihrer Hinteransicht.»
„Dich aber nicht?“
„Mich nicht. Sie ist etwa 25 und greift schon zu Botox. Sie konnte ihre Stirn nicht runzeln.“
„Das ist krass.“ Irina wiegt den Kleiderbügel mit dem kleinen Schwarzen in der Hand, das sie an der missglückten Silvesterparty getragen hatte. „Zieh das an“, fordert er sie auf. „Das ist perfekt.“
„OK“, sagt sie. „Dann bin ich ja mal gespannt auf diese Frau Bürli. Anscheinend hat dein grosszügiger Alkoholkonsum an Silvester sie auch nicht weniger Barbiehaft werden lassen.“ Sie grinst. Eliot verzieht das Gesicht bei der Erinnerung an seinen Promillespiegel an Silvester – und den Kater danach. Letzten Freitag im Atelier warst du längst nicht so besoffen und trotzdem ... Er verdrängt den Gedanken so gut es geht. Heute Abend kann das mit Alys kein Thema sein. Heute Abend geht es darum, ob „StarCore“ wirklich eine Option für ihn sein könnte – obwohl er eigentlich alles verabscheut wofür dieses Label steht.
Er studiert Irinas Gesicht. Sie scheint sich auf den Abend zu freuen. Sowieso erscheint sie glücklich, seit er wieder zurück ist. Gestern Abend im Bett – nachdem sie doch noch miteinander geschlafen hatten – versuchte er zaghaft, sie auf die Situation vor ihren Ferien anzusprechen, und darauf, dass sie über ihre Beziehung nachdenken wollte. Wie sieht sie es jetzt? „Ich bin müde und offensichtlich glücklich, das siehst du doch?“, hatte sie ihm entgegnet. Ihr Gesicht sah entspannt aus und sie gähnte. „Wir reden darüber. Aber nicht vor dem Einschlafen. Nicht im Bett. Und nicht jetzt.“
„OK“, sagte er nur. Sie schmiegte sich enger an ihn und er versuchte hartnäckig zu verdrängen, dass er noch letzte Nacht mit einer anderen Frau so dagelegen hatte. In einem Hotelzimmer in Frankreich. Mit Alys. Er will es Irina immer noch sagen, aber er weiss nicht, wie. Sie scheint glücklich. Sie hat gestern gesagt, dass sie glücklich ist. Das jetzt alles zerstören? Es wird nicht besser, wenn du länger wartest, sagt die mahnende Stimme im Kopf . Es wird alles nur noch schlimmer machen. Sie wird dich noch mehr verabscheuen, je länger du wartest. Auch dafür, dass du so getan hast, als sei nichts gewesen.
„Ausserdem hat ja Alys an Silvester auf dich aufgepasst“, sagt sie jetzt und kramt in einer Schublade nach Strümpfen zum Kleid. Die Richtung, die das Gespräch nimmt, gefällt
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