Sehnsüchtig (German Edition)

sieht, dass sie den Mund öffnet um eine böse Bemerkung von sich zu geben. Meine kleine Kriegerin . Alys legt ihr eine Hand auf die Schulter. „Lass gut sein“, flüstert sie. „Lass sie doch lästern.“
    „Diese dummen eifersüchtigen Tussen!“, zischt Mascha. Alys lächelt Mascha beruhigend an. Die Bemerkung der Dunkelhaarigen hat sie getroffen, aber sie versucht den Schmerz zu ignorieren. Sie ist niemand, an dem Lästerattacken und böse Sprüche einfach abprallen. Vielleicht wäre es Zeit, sich ein dickeres Fell zuzulegen. Sie konzentriert sich wieder auf das Gewusel rund ums Secret. Hinter der Samtkordel lauern Journalistinnen, Fotografen, VJs und Kameramänner, die ihre Mikrofone über die Absperrung strecken und auf neue Beute warten. Die Beute wird in regelmässigen Abständen von schwarzen Limousinen vorgefahren, entsteigt und schwebt oder stolziert dann über den roten Teppich. Alys schüttelt ein wenig den Kopf. Das „Rock’n’Roll Star“ hat sich wirklich nicht lumpen lassen. was wohl alleine der Limousinen-Service kostet?
    Ein weiterer Schlitten fährt vor und eine Frau steigt aus. „Doriana, Doriana!“ ruft der erste Journalist in der Reihe und wedelt wild mit seinem Mikrofon. „Muss man die Frau kennen?“, fragt Alys Mascha. Die Frau fasst sich ins Haar, honigblonder Chignon, und lächelt huldvoll. Dann beginnt sie die ersten Fragen zu beantworten. Mascha reisst die Augen auf. „Das ist Doriana Weidmann, die Hauptdarstellerin von ‚Sehnsüchtig’, sie spielt Aischa.“
    Ach so. Alys erinnert sich ans Weihnachtsessen mit ihren Eltern, als Lydia sich als Sehnsüchtig-Fan geoutet hatte. „Stimmt, meine Mama hat was davon erzählt. Eliot spielte mit der Band auf der Geburtstagsfeier von Aischa beziehungsweise Doriana Weidmann, nicht?“ Mascha nickt. „Kennst du die Serie wirklich nicht? Hast du dir Eliots Auftritte nie angesehen? Dabei bist du doch sonst auf Youtube zuhause.“
    „Vimeo“, korrigiert Alys. „Grafiker tummeln sich eher dort. Das hat viel mehr Stil. Und nein, ich kann nichts mit so Seifenopern anfangen. Aber seine Auftritte werd ich mir mal noch zu Gemüte führen.“
    „Er war toll! Es gibt da diese flirty Szene nach dem Geburtstagskonzert mit Aischa – aber dann funkt Michael dazwischen, ihr eifersüchtiger Exfreund ...“
    „Eliot hatte Text und alles?“ Alys kann ihn sich schlecht in einer kitschigen TV-Seifenoper vorstellen, trotz seiner Bühnenpräsenz. Und sie glaubt nicht, dass ihm das Spass gemacht hat, er erzählt auf jeden Fall nie viel davon. „Ja, ein paar Zeilen. Er war ziemlich gut ...“ Sie beobachtet Doriana Weidmann, die von Mikrofon zu Kamera springt, ohne ihr Lächeln zu verlieren. Ob ihre Mundwinkel schon schmerzen? Ich würde den Rummel hassen. Doriana Weidmann aber nimmt ihn gelassen. Sie hat ein hübsches Lächeln, sowieso sieht sie sympathisch aus, niedlich auf die Mädchen-von-nebenan-Art, mit Augen, die gross und blau und klar in die Welt schauen.
    Eine weitere Limousine fährt vor und die Tür geht auf. Ein schwarzer Lederstiefel kommt zum Vorschein. Alys erkennt ihn auf Anhieb. Die Flatterviecher in ihrem Bauch schrecken auf, schwirren durcheinander. „Da ist Eliot Wagner.“, kiekst die Lästertante von vorhin. Eliot ignoriert den Trubel und geht um die Limousine herum. Öffnet die Tür, streckt eine Hand aus. Mascha hebt eine Augenbraue. „Er nimmt Irina mit über den roten Teppich? Ich dachte, das kommt für beide nicht in Frage.“ Aber Alys erkennt die Hand, die sich auf Eliots Ellbogen legt und den schweren Totenkopfring von Thomas Sabo, die vielen Steinchen darauf glitzern im Licht der Strassenlaternen. „Nein, er spricht doch mit der Presse nicht über sein Privatleben. Das ist Marlen.“ Eliots Bassistin steigt mit einer fliessenden Bewegung aus. Mascha seufzt. „Sie sieht mal wieder aus, als wäre sie nicht von dieser Welt.“ Die beiden Lästerschwestern von vorher sind verstummt. Alys sieht blanken Neid auf ihren Gesichtern. Wie immer scheint Marlen die Blicke nicht zu spüren. Sie trägt ein kleines Schwarzes aus lauter Pailletten und Pumps, die vor Nieten nur so strotzen. „Louboutins“, stellt Mascha nach nur einem Blick fest und betrachtet die Schuhe sehnsüchtig. „Du hast doch auch welche“, meint Alys.
    „Davon kann man nie genug haben!“, hält Mascha fest.
    „Eliot, Eliot!“, rufen die Lästerschwestern und winken wild in seine Richtung. Er knipst sein professionelles Lächeln an und winkt zurück.