Sehnsüchtig (German Edition)
Irina weiss, dass Eliot nicht der einfachste Kunde ist, mit seinem Hang zum Perfektionismus.
„Wie läuft’s mit dem Booklet? Macht Eli dir das Leben schwer?“
Ein vages Lächeln flackert über Alys’ Gesicht. „Nein, das tut er nicht. Es läuft eigentlich ganz gut.“
„Super“, sagt Irina. Alys sieht nicht gut aus, obwohl sie wie immer gut geschminkt ist. Geschwungener Lidstrich wie damals Brigitte Bardot in den Sechzigern, und ihr Markenzeichen, der rote Lippenstift. Ansonsten kaum Make-up. Das braucht sie auch nicht. Ihre Haut ist klar, und noch haben die Zigaretten und das Alter keine Spuren in ihrem Gesicht hinterlassen. Vielleicht liegt die Blässe auch an der komplett schwarzen Kleidung. Im Gegensatz zu Mascha scheint sie beschlossen zu haben, sich nicht in Schale zu werfen. Alles ist dezent – nur der transparente Rücken des Oberteils ist auf subtile Weise sexy.
Sie begrüsst jetzt Mascha und tauscht ein paar Sätze mit ihr über „Weissenstein und Partner“ und gemeinsame Bekannte. Dann taucht ein Mann neben ihnen auf und Mascha dreht sich ein wenig weg als würde sie ihm die kalte Schulter zeigen. Das scheint ihn nicht zu irritieren. Alys und er tauschen ein kleines Lächeln, es scheint „das ist wieder typisch“ zu sagen.
Einen Augenblick fragt sie sich, ob der Mann Janosch ist. Alys’ Freund. Oder Exfreund. Eliot hat irgendwann mal erwähnt, sie hätten sich getrennt. Vielleicht sind sie wieder zusammen. Obwohl – irgendwie hätte sie sich Alys’ Männergeschmack anders vorgestellt. Er hat ein nettes Gesicht ohne grosse Ecken und Kanten und rotes Haar, aber röter als ihr eigenes. „Das ist Frederic Altwegg“, sagt Alys jetzt. „Ein Freund von Mascha.“
„Hallo, ich bin Irina.“ Irina streckt ihre Hand aus . Ein Freund? Warum ist sie dann so kühl zu ihm? Sie lächelt ihn an und seine Wangen scheinen warm zu werden. Er ist offensichtlich schüchtern. „Hallo, freut mich.“
„Und was machst du so, Frederic?“ Er scheint sich nicht gewohnt zu sein, dass man Interesse an ihm zeigt. Er braucht ein wenig Zeit für eine Antwort. „Ich bin Informatiker bei der ‚Dankeschön GmbH’.“ Der Name des grössten Konzerttickethändlers des Landes ist ihr geläufig. „Und du?“
„Ich bin Stylistin. Das heisst, zurzeit bin ich hauptsächlich Mutter und Hausfrau.“
„Du hast Familie?“ Überraschung steht auf seinem Gesicht. Auf seiner Nase tummeln sich ein paar Sommersprossen. Sie lächelt. Sie weiss, dass ihr viele kein Kind zutrauen, weil sie jünger aussieht als sie ist. „Ja, eine einjährige Tochter. Und einen vielbeschäftigten Freund. Darum muss mein Job zurzeit etwas hinten anstehen.“
„Und heute abend hast du ihn zum Babysitten eingespannt?“
Sie grinst. „Nein, er ist auch da. Aber hinter der Bühne. Er arbeitet heute.“
Frederic nippt an seinem Drink. Dann leuchtet Erkenntnis in den blaugrünen Augen auf. „Du musst Eliots Freundin sein.“ Sie nickt, etwas überrascht. „Mascha hat von dir erzählt. Dass ihr ab und zu zusammenarbeitet.“
„Genau.“
„Euer Leben hat sich ganz schön verändert haben seit letztem Sommer.“, sagt Frederic jetzt. „Das muss wohl manchmal ziemlich anstrengend für dich sein.“ Er ist der erste, der sie so direkt fragt, wie sich Eliots Durchbruch auf sie ausgewirkt hat, und dem klar zu sein scheint, dass es nicht nur Glitzerglamour pur und ein Zuckerschlecken ist. Die meisten Leute sehen die Sonnenseiten, dein Partner ist jetzt prominent, wie aufregend. All die Partys, und nicht zu vergessen, er verdient jetzt sicher jede Menge Geld.
Soviel Geld ist es noch nicht. Es reicht, um davon zu leben. Es reichte, dass er seine Stelle als Bibliothekar aufgeben konnte. Manchmal fragt sie sich, ob es das wert war. Manchmal wünscht sie sich, er würde wieder 80 Prozent als Bibliothekar arbeiten wie früher. Sie hatte damals viel mehr von ihm. Er sagt, dass er jetzt glücklicher ist als damals. Aber das stimmt nicht. Nicht immer. Auf jeden Fall nicht in den letzten Monaten. Und sie war vor seinem Durchbruch definitiv glücklicher gewesen, auch wenn sie sich in den ersten Zeit wahnsinnig für ihn gefreut hatte, dass er es endlich geschafft hatte, nach all den Jahren, all dem Einsatz und den fünf Alben, in die er sein ganzes Herzblut und sein hart verdientes Geld gesteckt hatte.
„Ja, es ist nicht immer einfach, da hast du Recht.“ Sie fragt sich, warum sie so offen zu jemandem ist, den sie vor zwei Minuten kennen gelernt
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