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Sehnsüchtig (German Edition)

Sehnsüchtig (German Edition)

Titel: Sehnsüchtig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanne Woodtli
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plötzlich, eigentlich umsonst, es steht nichts in der Mail, das die Frage beantwortet, die seit gestern im Raum steht und ihr die Luft zum Atmen nimmt. Sie oder ich? Wie hast du dich entschieden? Hast du dich überhaupt entschieden?
    Das Mail besteht aus einer langen Liste mit letzten Änderungen und der Anleitung, wie sie die Druckvorlagen danach auf den FTP-Server der Druckerei laden soll. Sie verflucht Eliot und seine überperfektionistische Ader, wenn sie sich nicht ihn verliebt hätte, wenn er nicht dieses zauberhafte, unmögliche Wesen wäre , würde er nicht zu ihren Lieblingskunden gehören. Nein, ganz und gar nicht, so pedantisch wie er ist. Er verliert keinen Buchstaben darüber, was jetzt mit ihnen ist. In ihrem Bauch hat sich alles verknotet. Hast du dich etwa für Irina entschieden und beschlossen, dass du mir keine Antwort mehr schuldest? Willst du es dir einfach machen, mir nur das restliche Honorar überweisen und mich nie mehr wieder sehen? Da klingelt ihr Handy und straft sie Lügen. Sie blickt auf den Display. Das ist er! Sie hebt ab. „Hallo!“, sagt sie schnell. Ihre Stimme klingt als wäre sie eben gerannt. Keine Luft mehr, ich kann nicht atmen.
    „Hey“, kommt seine Stimme und sie lässt sich aufs Sofa fallen, weil sie ihre Knie nicht mehr tragen wollen. „Wie geht’s?“, fragt er. Sie versucht, seinen Tonfall zu deuten, aber es gelingt ihr nicht. Er klingt müde. Aber so klang er oft in letzter Zeit. Ausserdem ist die Verbindung schlecht, es rauscht im Hintergrund, er fährt offensichtlich mit dem Handy am Ohr. Sie hat ein paar Mal eine Bemerkung darüber gemacht, wie gefährlich sie das findet. Vor allem bei seinem rassigen Fahrstil und der Tatsache, dass der Porsche keine Servolenkung hat und sich nicht so leicht mit einer Hand steuert. Er hat entweder gelacht oder es ignoriert. Wahrscheinlich hat er dasselbe schon x-mal von Irina gehört.
    „Es geht ... ich hab kaum geschlafen.“
    Einen Augenblick ist es still am anderen Ende der Leitung. Geh darauf ein. Komm schon, das bist du mir schuldig. „Hast du meine E-Mail bekommen?“, fragt er stattdessen. Vor Enttäuschung versagt ihr fast die Stimme, das dunkle Timbre, das sie von Lydia geerbt hat, gleicht mehr einem Krächzen. „Ja. Ich fang gleich an. Bis heute Abend haben sie es.“
    „Super“, sagt er, aber sie kann keine Freude in seiner Stimme hören. Oder Enthusiasmus. Sie hält es nicht länger aus: „Eliot, können wir uns sehen? Ich will ... ich muss mit dir reden.“ Sie hasst es, dass sie flehend klingt dabei. Ich wollte nicht betteln. Ich wollte stark sein und unabhängig. Ich wollte mich nie so komplett von einem Mann vereinnahmen lassen. Sie wartet auf seine Antwort. Ich will nur halbwegs glücklich sein. Ich will doch einfach nur dich.
    „Darum rufe ich an“, sagt er dann. Er klingt jetzt gepresst. Als würde auch ihm das Reden schwerfallen. „Ich will dich auch sehen. Und ich muss ebenfalls mit dir reden.“ Er verstummt. „Du fehlst mir“, hört sie ihn dann sagen.
    „Sag das nicht“, rutscht ihr über die Lippen. Ihre freie Hand findet ihre Kehle. „Warum nicht?“, gibt er zurück.
    „Deshalb ...“
    Einen Weile hört sie wieder nur den Verkehr und leise auch sein Audioradio. Er hört Staind, sie erkennt das Lied, es ist „Pardon Me“. Er hört wohl die Playlist, die sie ihm nach Èze zusammengestellt hatte, einige der Lieder, die sie auf der Reise ab ihrem iPod gehört hatten. Er hatte zwar etwas über ihre Vorliebe für Staind gelacht und ein paar Sprüche gemacht – „das ist Frauen-Metal“ – aber sie hatte ihm angesehen, dass er die Musik doch nicht so schlecht fand.
    „Ich würde am liebsten gleich vorbeikommen, aber ich bin unterwegs. Ich habe in einer halben Stunde einen Termin beim Radio. Ich muss diese Woche Presse für das Album machen. Und als Höhepunkt muss ich heute Abend zu ‚Shine’.“ Der Name der Sendung kommt halb gequält, halb verächtlich über seine Lippen. Shine. Die People-Sendung der staatlichen Fernsehanstalten, etwas vom Wenigen, das sie sich ab und zu im Fernsehen anschaut. Klatsch und Tratsch, die Freuden und Nöte der internationalen und nationalen Prominenz, vorgetragen von einer stark geschminkten Moderatorin mit Stelzenbeinchen und in Designer-Klamotten, die Mascha vor Neid erblassen lassen. Shine – das ist unsäglich türkises Dekor und unkritisch-belanglose Berichterstattung. Aber wenn man erst hängen geblieben ist, ist wegzappen schwierig. „Als

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