Sehnsüchtig (German Edition)
Auto fährt.“ Sie tauschen ein Lächeln. „Er ist von 1989, aber gut im Schuss. Er hat einem pensionierten Hochschuldozenten gehört, der sich gut darum gekümmert hat.“ Sie nickt und betrachtet den Wagen. „Ein Freund von mir hat einen Porsche 911 von 1979. Die Form erinnert mich ein wenig daran.“
Der Garageninhaber nickt und deutet auf den Saab. „Er würde zu Ihnen passen. Eine so schöne Frau wie Sie am Steuer dieses Wagens.“ Sie lächelt vage zurück, nimmt ihm den Satz aber nicht übel, obwohl sie solche Komplimente sonst nicht mag. Vielleicht liegt es daran, dass es nicht nach einem verkaufsfördernden Satz klingt, eher, als meine er es ernst. Und weil er keiner dieser schleimigen älteren Männer ist, die jungen Frauen gerne zu nahe treten, wenigstens verbal, sondern irgendwie sympathisch. Er erinnert sie immer noch an ihren Grossvater. Das Blau der Augen ist fast gleich.
„Eine schöne Frau mit traurigen Augen“, fügt er hinzu. Sie erwidert seinen Blick und sagt nichts darauf. Er ist Autohändler, ein gewisses Gespür für die Psyche des Gegenübers kann in diesem Beruf nicht schaden. Wie bei einem Wirt auch nicht. Oder einer Bardame.
Sie blickt auf den Preis in der Windschutzscheibe. Wenn sie ihr Jugendsparkonto plündern würde und einen Teil von Eliots Honorar dazunehmen, dann könnte sie sich den Wagen sogar leisten. Sie tätschelt etwas wehmütig den Lack, der fast die Farbe ihres Nagellacks hat. Den meisten Autos würde dieses Violett nicht stehen, aber hier hat es Stil. Er ist kein Porsche, aber er sieht ein wenig aus wie Eliots Wagen. Und sie kann sich tatsächlich darin vorstellen. „Zurzeit brauche ich leider kein Auto. Aber er ist wirklich sehr schön.“ Er lächelt wieder. „Schlafen Sie mal darüber. Und wenn Sie ihn mal probefahren wollen, sind Sie jederzeit herzlich willkommen.“
„Vielleicht komme ich darauf zurück ...“
„Ich würde mich freuen“, sagt er. Sie verabschiedet sich und geht nach Hause.
Dort zieht sie sich um. Schwarze Strümpfe und ihr Lieblingskleid, kurz und aus schwarzer Spitze. Eigentlich zu chic, um einfach zu den ‚Staatlichen Fernsehanstalten’ zu fahren. Eigentlich auch zu dünn für das Wetter draussen. Aber wie immer, wenn ihr eine Situation Angst macht, zieht sie sich besonders gut an. Um Selbstsicherheit auszustrahlen, die sie in diesem Moment nicht besitzt. Sie schminkt sich und sprüht sich das Parfüm an, das Eliot besonders mag. Um Viertel vor sieben kommt ‚Shine’. Sie bestellt sich ein Taxi für 19 Uhr und schaltet den Fernseher ein. Das aus viel Türkis bestehende Signet flackert über den Bildschirm, dann lächelt die aschblonde Moderatorin im Studio in die Kamera, mehr Türkis. „Guten Abend miteinander, mein heutiger Gast hat das Land letzten Sommer aufhorchen lassen als er für ‚Sehnsüchtig’ den neuen Titelsong ‚Longingly’ schrieb. Das Lied – ein Ohrwurm. Mit dem kurz darauf erscheinenden Album ‚You don’t own me’ schaffte er den nationalen Durchbruch. Jetzt hat der fleissige Songschreiber bereits eine neue Scheibe am Start. ‚No way out’ erscheint am 2. April. Herzlich willkommen im Studio, Eliot Wagner!“
Die zweite Kamera zeigt jetzt Eliot. Er sitzt scheinbar entspannt auf einem blaugrünen Plastikwürfel, die Knöchel übereinandergeschlagen, schwarze Jeans, die Hosenbeine in seine braunen Lederstiefel gesteckt, weisses Hemd, rote Hosenträger. Wahrscheinlich hat ihn Irina gestylt, wie immer für Medien- und andere offizielle Auftritte. Auf der Studiokamera ist nicht zu sehen, dass er in letzter Zeit dünner geworden ist, aber die Kamera addiert ja auch ein paar Kilo, sagt man. Und die Augenringe sind unter dem Puder der Visagistin verschwunden. Er lächelt sein übliches professionelles Lächeln, aber die Augen bleiben heute ernst. Alys fragt sich, ob das die Moderatorin und die anderen Zuschauer auch sehen können oder nur sie.
Schnitt auf die Totale. „Hallo Eliot“, Alexa Sprecher strahlt ihn an. „Hallo Alexa. Herzlichen Dank für die Einladung.“
„Wir freuen uns, dass du hier bist. Du hast eine aufregende und intensive Zeit hinter dir. Wie geht es dir?“
„Mir geht es sehr gut, danke.“ Gut gelogen, Herr Wagner.
„Viele wissen vielleicht nicht, dass du eigentlich Bibliothekar bist – du hast deinen Beruf letzten Sommer für deine Musikkarriere aufgegeben. Du siehst nicht unbedingt aus wie ein typischer Bibliothekar.“
Eliots Lachen schallt durch das Studio. Sie hat ihn zum
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