Sehnsüchtig (German Edition)
ich auch. Ich habe es Alys versprochen. Aber er schaffte es nicht. Er schafft überhaupt nichts mehr. Er fühlt sich immer noch wie vor Schock erstarrt. Ich muss nachdenken. Ich kann nicht. Ich weiss gar nichts mehr.
Er stellt das Glas in die Spülmaschine. Geht ins Badezimmer, putzt sich die Zähne und spült mit Mundwasser nach. Irina soll nicht merken, dass er getrunken hat. Das könnte noch ein weiterer Anlass sein, dass sie geht. Er will nicht, dass sie geht und Lilli mitnimmt. Ich liebe Euch doch. Aber Alys fehlt ihm auch. Er überlegt sich einen Augenblick, ob er die Chance nützen und zu ihr fahren soll. Ich will dich sehen. Scheisse, Zuckerpuppe, was habe ich nur angerichtet?
Im gleichen Moment hört er Irina mit dem Schlüssel klimpern. Er nimmt einen Schluck Wasser vom Hahn, dann geht er in den Flur. Sie schlüpft eben aus ihren Schuhen. „Wo ist Lilli?“ Sie blickt auf. „Ich habe sie eben zu deiner Mutter gebracht, sie passt bis morgen auf sie auf. Ich muss mit dir reden.“ Etwas drückt in seinem Bauch bei diesen Worten. Sie geht vor ihm her ins Wohnzimmer, er folgt ihr auf den Punkt. „Hast du es Celia gesagt?“ Er redet eigentlich immer von ‚Celia’, nur selten von ‚Mama’. Irina blickt über die Schulter zurück und hebt eine Augenbraue. „Du meinst, dass du mich betrogen hast? Nein. Unter Umständen wird sie es ja sowieso erfahren.“
„Unter Umständen?“, wiederholt er.
Sie sagt nichts darauf, schiebt sein Kissen und seine Bettdecke beiseite und setzt sich aufs Sofa. Er tut es ihr gleich. Sie betrachten sich lange. Er kann normalerweise immer in ihrem Gesicht lesen. Ihre Augen verraten jedes ihrer Gefühle. Anders als bei Alys. Er drängt den Gedanken beiseite. Er ist jetzt hier mit Irina. Sie will mit ihm reden. Es wird höchste Zeit, dass wir reden. Sein Blick fällt auf Irinas Hand. Sie trägt ihren Verlobungsring immer noch nicht. Nicht so wie er. Seiner ist an Ort und Stelle. „Ich habe nachgedacht“, fängt sie an. Ihre Hände sind unruhig, sie knetet sie in ihrem Schoss.
„Ich habe immer gesagt, dass ich dich verlasse, wenn du mich betrügst.“
Er schluckt. „Ich weiss.“ Seine Stimme harzt.
„Ich bin nicht davon ausgegangen, dass ich mich wirklich einmal damit befassen müsste. Ich war überzeugt, dass du mir treu bist.“
„Es war das erste Mal. Das glaubst du mir doch?“ Ich habe doch selbst nicht gedacht, dass mir das je geschehen würde. Ich war dir treu, bis zu Alys. Es gab zehn Jahre lang nur dich.
Sie betrachtet ihn lange. „Ja, das glaube ich. Trotzdem ist es abscheulich, was du getan hast.“
„Es tut mir Leid!“ Er weiss nicht, wie oft er diese Worte in den letzten Tagen gebraucht hat. Unzählige Male. Es tut mir Leid. Es tut mir so Leid.
„Wenn es Lilli nicht geben würde, wäre es längst zu Ende. Aber der Gedanke, dass du nicht mehr hier bist und sie mich jeden Tag fragend anschaut, ertrage ich nicht. Ich würde dich gerne verabscheuen, aber ich kann es nicht. Und darum möchte ich, dass wir es noch einmal versuchen. Es ist viel schief gelaufen in letzter Zeit. Alles, eigentlich. Aber ich habe immer noch Gefühle für dich, und ich möchte unserer Beziehung noch eine letzte Chance geben. Aber ich habe ein paar Bedingungen.“
Er sagt nichts, er hört ihr einfach zu. Er kann seinen Blick nicht von den blauen Augen lösen. Diese frühlingsblauen Augen . Sie glänzen jetzt, ungeweinte Tränen, aber ihre Stimme ist sicher.
„Ich will, dass du nach der Tour eine Pause einlegst. Kein neues Album. Keine neue Tour. Kein Presserummel. Ich will, dass du dir Zeit für uns nimmst. Mindestens ein Jahr, lieber zwei. Das wir endlich diese Reise in den Norden machen, zum Beispiel. Du kannst zu deinem Beruf zurück, sollte es finanziell nicht anders gehen. Du brauchst dringend eine Auszeit. Und wir haben das verdient, Lilli und ich.“
Ich weiss. Eine Pause. Nur eine Pause, es heisst ja nicht, dass er die Musik ganz aufgeben muss. „Ich will, dass du aufhörst zu trinken und die Finger von den Schlaftabletten lässt. Ich will, dass du zum Arzt gehst und dir Hilfe holst bevor etwas Schlimmeres passiert. Du steuerst direkt auf den Abgrund zu wenn du so weitermachst.“
Burnout, sagt eine Stimme in seinem Kopf . Sie glaubt immer noch, ich hätte ein Burnout.
„Ich habe mir überlegt, ob ich will, dass wir endlich heiraten, aber das hängt wohl davon ab, wie sich alles entwickelt. Aber wir haben schon ein paar Mal darüber gesprochen und ich habe
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