Sehnsüchtig (German Edition)
Schritte bis zu der Tiefgarage. Im Lift riecht sie wieder diesen Duft. Ist es Rasierwasser oder doch Parfüm? Auf jeden Fall ist es sehr lecker. Das Licht in der Tiefgarage scheint sich zu überlegen, ob es wirklich angehen soll, es flackert zweimal unschlüssig, dann geht es doch an. Alys blickt sich um, was für ein Auto fährt wohl jemand wie Eliot Wagner?
Er steuert auf einen Wagen zu, sie aber bleibt stehen. Er dreht sich zu ihr um und lächelt als er den Ausdruck auf ihrem Gesicht sieht. „Ist das ein 911?“ Er nickt. „Wow“, kommt über ihre Lippen. Jetzt grinst er. „Welches Baujahr?“ Sie kann ihr Spiegelbild im schwarzen Lack des Oldtimer-Porsches und das Staunen auf ihrem Gesicht sehen. „1978“, sagt er und dreht den altmodischen Autoschlüssel im Schloss. „Mein Jahrgang, das war ein zusätzliches Argument, ihn zu kaufen.“
Er öffnet die Tür und lässt sich in den schwarzen Ledersitz fallen. Sie geht um das Auto herum und widersteht dem Impuls, bewundernd mit dem Zeigefinger über den Lack zu fahren. Auf dem Beifahrersitz liegt eine Wolldecke. „Die kannst du vielleicht brauchen“, sagt er. „So schön das Auto ist, die Heizung ist verdammt vorsintflutlich. Irgendwann erfriere ich mal vor einer roten Ampel.“
„Wer schön fahren will, muss leiden“, sagt sie. Das bringt ihn zum Lachen. „Das stimmt wohl“, sagt er und startet den Motor. Das Geräusch erinnert Alys an eine schnurrende Katze. Was für ein Auto.
„Hast du ihn schon lange?“ Er überlegt eine Weile. „Etwa fünf Jahre. Ich hab ihn mir mit 27 gekauft, pünktlich zur Quarterlife Crisis. Er war damals vergleichsweise günstig zu haben, weil man einiges dran machen musste. Mein Onkel steht glücklicherweise auf Oldtimer und hat mir damit geholfen. Aber ich hab noch nie ausgerechnet, wie viel Geld ich über die Jahre in dieses Auto gesteckt habe.“ Er tätschelt das Lenkrad liebevoll. „Ist wahrscheinlich auch besser so“, fügt er hinzu. Beide grinsen.
Alys beobachtet die Passanten in der Altstadt durch die regenverschmierte Scheibe. Ein solches Auto erntet jede Menge Blicke, sogar heute, wo die Menschen wegen dem Regen die Köpfe hängen lassen, sich unter ihren Kapuzen und Schirmen verstecken.
Im gleichen Moment vibriert ihr Handy in der Handtasche. Sie kramt danach und wirft einen Blick auf den Namen des Anrufers. Janosch. Er wird sich wohl fragen, warum sie vorgestern nicht zurückgeschrieben hatte ... Das war unhöflich, aber es war ihr völlig entgangen. Ausserdem war sein „Morgen Abend?“- SMS ebenfalls ziemlich stillos.
Sie wiegt das Handy unschlüssig in der Hand, es vibriert immer noch, den Finger schon bereit, um ihn wegzudrücken. Aber dann spürt sie Eliots Blick auf ihrem Gesicht, er wundert sich offensichtlich, warum sie zögert. Also nimmt sie das Gespräch an.
„Hallo.“ Sie lässt es neutral klingen.
„Hey“, sagt Janosch. „Alles gut?“
„Ja ...“
„Wo bist du? Ich steh vor deiner Haustür und hab schon ein paar Mal geklingelt ...“
„Ich hatte einen beruflichen Termin.“
„Ach so. Ich weiss, dass wir nicht verabredet sind, aber ich dachte, du wärst zuhause und an der Arbeit“.
„Aha“, sagt sie. Sie wirft einen Blick auf Eliot. Er sieht entspannt aus, eine Hand am Lenkrad, die andere auf dem Schalthebel. „Kommst du ans Handschuhfach? Da sind meine Zigaretten drin ...“
Sie nickt. „Moment“, sagt sie zu Janosch und öffnet mit der freien Hand das Handschuhfach. Nimmt eine Zigarette aus der Schachtel und gibt sie Eliot. „Danke.“ Er steckt sich die Zigarette zwischen die Lippen, fischt das Feuerzeug aus der Tasche seines Blazers und lässt es klicken. Sie schaut zu, wie er einen ersten Zug nimmt, geniesserisch. Den Rauch atmet er langsam aus. Einmal mehr sieht er wie eine seltsame Mischung aus Johnny Cash und James Dean aus. Als gehöre er in eine andere Zeit.
„Ich bin wieder da ...“, sagt sie zu Janosch. „Fährst du?“, fragt er. „Ich werde gefahren“, präzisiert sie. Eine Weile herrscht Schweigen. Sie kann sein Erstaunen förmlich hören. „Das heisst, du bist demnächst da? Dann wart ich nämlich noch.“ Sie unterdrückt einen Seufzer. Was willst du, liegt ihr auf der Zunge. Aber das würde sich vor dem potentiellen Kunden nicht gerade gut machen. „Ich bin in knapp 10 Minuten da ...“
„Super. Bis gleich.“
„Bye“, sagt sie leise und beendet den Anruf. Sie furcht die Stirn, unbewusst, und schiebt das Handy in ihre Jeanstasche. Sie
Weitere Kostenlose Bücher