Sehnsüchtig (German Edition)
spürt Eliots Blick auf ihrem Gesicht, aber er sagt nichts. Der Rest der Fahrt verläuft schweigend. „Ich wohne gleich da vorne, in dem roten Backsteinblock.“
„Super, da kann ich gut anhalten.“ Eliot fährt mit Schwung an die Strassenseite. Die Bremsen quietschen unwillig. Unter dem Vordach steht jemand und dreht sich um als das Auto anhält. Der graue Mantel und die Locken, die vom Regen feucht sind und dadurch schwarz wirken, sind unverkennbar. Sie sieht Janoschs erstauntes Gesicht von weitem. Er kneift die Augen zusammen, als frage er sich, ob sie es wirklich ist. Dann kommt er näher. „Er war mit euch am Konzert“, stellt Eliot fest und drückt die Zigarette im Fach für die Asche aus. „Dein Freund?“
Nicht wirklich, will sie sagen, aber sie schluckt den Satz hinunter. Sie macht eine Kopfbewegung, die man als Nicken interpretieren könnte. Wie soll sie ihm auch erklären, was Janosch ist, sie kann ihm ja schlecht gestehen, er ist nur eine Affäre. „ Ein Freund“, wäre auch gelogen. Das ist er nicht.
Janosch erkennt sie jetzt und nähert sich dem Auto. Etwas bedauernd dreht sie sich zu Eliot um. „Vielen Dank für alles. Ich mache die Offerte heute noch.“
„Super. Danke, dass du vorbeigekommen bist. Du hörst von mir.“ Einen Augenblick schauen sie sich an, dann streckt er die Hand aus. Sie ergreift sie. „Danke. Viel Spass im Studio.“
„Bis bald“, sagt er und lächelt. Ein warmes Gefühl steigt in ihr hoch. Hastig nickt sie ihm zu und greift nach dem Türgriff, öffnet die Tür. „Auf Wiedersehen“, sagt sie beim Aussteigen.
„Auf Wiedersehen“. Sie lässt die Tür ins Schloss fallen. Er hebt eine Hand und winkt ihr zu, dann gibt er Gas und ist weg.
Langsam dreht sie sich zu Janosch um. Er sieht ziemlich ungläubig aus. „War das Eliot Wagner?“
„Das war Eliot Wagner“, sagt sie nonchalant und geht Richtung Haustür, während sie in der Handtasche nach dem Hausschlüssel sucht. „Was will Eliot Wagner von dir?“, fragt Janosch. Diesen Satz könnte man auf zwei Arten verstehen , schiesst ihr durch den Kopf. „Ein CD-Booklet“, sagt sie und versucht, nicht triumphierend zu klingen, schliesslich ist Janosch nicht nur ihr Liebhaber, sondern auch ein Berufskollege. Und noch hast du den Auftrag nicht.
„Echt?“
„Echt“, bekräftigt sie und schliesst die Haustür auf, ohne sich nach ihm umzudrehen. Er folgt ihr die Treppe hinauf und in die Wohnung, ohne etwas zu sagen. Als er die Jacke über ihre Sofalehne wirft, sieht sie, wie es in ihm arbeitet und wie er sich überlegt, was er sagen soll. Beschliesst, ihm nicht dabei zu helfen und ihn zu ignorieren. Sie stellt ihre Handtasche auf den Schreibtisch, verteilt Schreibblock, Agenda, Songliste und startet ihren Computer, um ihre Mails zu checken. Nichts Wichtiges, nur Spam. Sie hört, wie Janosch sich hinter ihr auf das Sofa setzt. Sie spürt seinen Blick an ihr kleben, das Schweigen dehnt sich aus, wird unangenehm. Irgendwann dreht sie sich doch um. „Willst du Kaffee?“. Es klingt ziemlich kühl, aber sie kann es nicht verhindern. Oder will es nicht. „Ja, gerne“.
Sie geht in die Küche und steckt eine Kapsel in die Maschine. Die Maschine knurrt erbost, als sie auf den Kopf drückt. In letzter Zeit hat sie ihre Macken, macht den Kaffe mal lang, dann kurz. Wahrscheinlich wäre es an der Zeit, die Maschine zu entkalken. Es sind genau diese kleinen Alltagsdinge, in denen sie schlecht ist. Entweder sie vergisst sie oder schiebt sie auf die lange Bank.
Die Maschine lässt sich dazu überreden, einen zweiten Kaffee herzugeben. Entkalkungsmittel , schreibt Alys auf die Einkaufsliste am Kühlschrank und rückt das rote Magnet zurecht. Es ist herzförmig. Sie nimmt die beiden Tassen Kaffee – Janoschs schwarz und mit viel Zucker, ihren mit Milch und ohne Zucker – und geht zurück ins Wohnzimmer. Janosch sitzt immer noch auf dem Sofa und studiert angestrengt an etwas herum, was sie von weitem als Eliot Wagners Visitenkarte erkennt. Sie lag auf dem Notizblock auf dem Schreibtisch.
Eine gereizte Bemerkung liegt ihr auf der Zunge, aber er kommt ihr zuvor. „Schicke Visitenkarte“, sagt er und hält sie hoch. Das ist sie wirklich, weisse Schrift auf schwarzem Papier, das sich seidig anfühlt unter den Fingern.
Sie setzt sich auf die Schreibtischkante und blickt ihn an. „Ja“, sagt sie: „Und es wäre nett, wenn du mich fragst, bevor du in meinem Zeug herumkramst.“ Er sieht fast etwas ungläubig aus.
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