Sehnsüchtig (German Edition)
habe noch einen Haufen Arbeit ...“
„Für Eliot Wagner“, sagt er und greift nach seinem Mantel. Sein Gesicht ist ungerührt, aber sie sieht verschiedene Emotionen in seinen Augen miteinander kämpfen. Auch dafür kennt sie ihn gut genug.
„Für Eliot Wagner“, bestätigt sie, sie klingt jetzt ruhig.
Sein Blick fällt auf das Foto, das ihr Mascha geschenkt hat. Es steht neben dem iMac, den sie für ihre Arbeit braucht. „Wagner scheint es dir ja ganz schön angetan zu haben.“ Seine Stimme ist jetzt kühl. Schön, noch eine blöde Bemerkung zum Abschied. Sehr stilvoll. Fast so sehr wie ‚Morgen Abend?’
Sie lächelt ein Lächeln, das ihre Augen nicht erreicht. „Ja“, sagt sie langsam. Einen Moment lang fällt die Maske und er sieht verletzt aus, oder ungläubig, oder beides zusammen, und sie geniesst es, obwohl es vielleicht kindisch ist ...
„Ja“, wiederholt sie dann, „der Auftrag hat es mir ganz schön angetan. Eine super Referenz. Und übrigens, das Foto war ein Geschenk von Mascha. Ein Gag. Du kennst sie doch.“
Er verzieht das Gesicht und knöpft den obersten Knopf seines Mantels zu. „Ich lass dich arbeiten. Tschüss“, sagt er. Er geht zur Tür, ohne sie zu berühren, obwohl er einen Augenblick zögert. Kurz darauf fällt die Wohnungstür hinter ihm ins Schloss. Alys bleibt, wo sie ist. Beisst sich auf die Unterlippe, bis es weh tut. Nicht weinen. Sie schluckt den Kloss im Hals herunter, wischt sich eine Träne aus dem Gesicht. Nicht weinen jetzt. Sie setzt sich vor den Laptop und beginnt, die Offerte für Eliot Wagner zu schreiben.
LILLI
Das Radio klingelt. Unaufhörlich. Das macht keinen Sinn, warum klingelt das Radio? Er drückt auf den leuchtend roten Ausschaltknopf, aber es klingelt weiter. Nervtötend. Er drückt den Knopf erneut. Hilft auch nicht. Er drückt den Knopf wieder und wieder, aber das Geräusch will einfach nicht aufhören ...
Im gleichen Moment schreckt er auf, schlägt orientierungslos die Augen auf. Wo bin ich? Schwarzes Leder an seiner Wange. Er liegt bäuchlings auf dem alten Sofa im Atelier. Sein Nacken fühlt sich steif an. Kein Radio. Nur ein Traum. Aber das Klingeln bleibt. Er setzt sich auf, sein Rücken protestiert. Dann sieht er das Handy. Es liegt auf dem Parkettboden und schrillt erbost vor sich hin. Es muss ihm aus der Hand gefallen sein, als er eingeschlafen war. Dabei wollte er sich doch nur kurz hinlegen. „Irina“, sagt das Display.
„Hallo.“ Er hört, wie verschlafen er klingt. „Guten Morgen“, sagt sie ironisch. Er nimmt das Handy kurz vom Ohr weg und wirft einen Blick auf das Display. 11 Uhr. Er muss etwa anderthalb Stunden geschlafen haben. Er drückt das Handy wieder gegen das Ohr. „Ich hab schon dreimal angerufen“, sagt sie.
„Tut mir leid, ich bin auf dem Sofa eingeschlafen und mein super Unterbewusstsein hat das Klingeln in einen Traum integriert. Das Radio klingelte und ich konnte es nicht ausschalten.“ Normalerweise würde sie jetzt lachen, aber nicht heute. Überhaupt klingt sie etwas gestresst.
„Hör zu, du musst Lilli von der Krippe abholen. Jemand von ‘Weissenstein & Partner’ hat angerufen, sie drehen am Freitag und Samstag einen Last-Minute-Werbespot für Weihnachten und sie wollen mich buchen ... Ich habe zugesagt und muss heute Nachmittag die beiden Schauspieler treffen, das Stylingkonzept steht noch überhaupt nicht.“ Der Name ‘Weissenstein & Partner’ kommt ihm bekannt vor, eine Werbeagentur, für die sie früher schon gearbeitet hat.
„Ich habe deine Mutter angerufen, aber sie hat heute Nachmittag unmöglich Zeit, die Kleine zu nehmen. Ich habe ihr Mittagessen vorbereitet, es steht im Kühlschrank, du musst es aufwärmen.“
„OK.“ Er reibt sich den schmerzenden Nacken. „Ich komme heute Abend vermutlich nicht besonders früh nach Hause ...“, fügt sie an.
„Kann Celia sie am Abend nehmen?“ Seine Mutter ist eine liebevolle und enthusiastische Grossmutter. „Nein, sie fahren morgen in die Toskana, das habe ich dir erzählt ...“ Wahrscheinlich hat sie das. Nein, sogar ziemlich sicher. Nur vergisst er in letzter Zeit viele solcher Dinge. Wie immer während einer Albumproduktion scheint in seinem Kopf nicht viel Platz für anderes als zu sein. Freunde hatten ihn in solchen Phasen auch schon als „besessen“ bezeichnet, im Scherz zwar, aber wahrscheinlich liegt ein Funken Wahrheit darin.
Und wie immer weiss Irina besser Bescheid über den Alltag seiner eigenen Eltern als er
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