Sehnsüchtig (German Edition)
streckt ihre Hand aus und Alys greift danach. Ihre Haut ist kühl vom Schneewetter draussen, aber ihr Blick nicht. Er ist freundlich und offen, fast wie der ihres Lebenspartners.
„Alys Allenbach“, stellt Alys sich vor. „Alys ist Grafikerin“, sagt Eliot hinter ihnen. „Stimmt, du bist wegen dem CD-Booklet hier? Eliot hat mir davon erzählt. Er hat mir deine Homepage gezeigt. Du machst schöne Sachen, besonders der Flyer für diese Lesung hat mir gefallen.“
„Danke. Das war ein toller Auftrag.“
Irina dreht sich zu Eliot um. „Ich störe Euch nicht länger. Ich wollte nur fragen, ob ich deine Post mitnehmen soll? Ich geh gleich Lilli in der Krippe abholen.“
„Gerne, ich hol die Post.“
Eliot verschwindet im Nebenraum, der wohl als Büro dient. Irina Agren bleibt, wo sie ist und die beiden Frauen betrachten sich etwas unschlüssig. Alys sucht nach einem Gesprächsthema, aber es will ihr einfach nichts einfallen, dabei ist sie normalerweise gut in Sachen Smalltalk. Eine nützliche Eigenschaft in ihrem Beruf, wo man auf Menschen zu- und eingehen können muss.
„Das ist eine tolle Tasche“, sagt sie dann. Mode. Immer ein gutes Thema, wie Mascha bestimmt bestätigen würde. Tatsächlich ist ihr die klassische Chaneltasche gleich aufgefallen – sie hatte sie mit einem leisen Anflug von Neid registriert. Eine schwarze 2.55 mit etwas Patina. Vintage, wahrscheinlich . Bestimmt immer noch knapp einen Tausender wert.
Ein Lächeln erscheint in Irina Agrens Mundwinkeln. „Danke“, sagt sie dann. Alys mag ihre schlichte Art, ein Kompliment entgegen zu nehmen. „Ich liebe sie heiss und innig“, fügt Irina hinzu. „Verständlicherweise.“ Beide grinsen. „Eliot hat sie mir geschenkt, zu unserem ersten Jahrestag. Gemessen an seinen damaligen Gagen hat ihn das fast ruiniert.“
Wieder lächelt Irina, dabei wird ihr hübsches Gesicht weich. „Himmel, das ist neun Jahre her.“ Alys lächelt zurück, obwohl ihr das einen leisen Stich versetzt. Warum nur? Ist es, weil diese Frau, die vermutlich kaum älter ist als sie selbst, seit zehn Jahren in einer offensichtlich glücklichen Beziehung lebt? Mit einem Mann, um den man sie definitiv beneiden könnte? Ist es Neid, weil ihr dieses Glück bis jetzt verwehrt geblieben ist?
Was hat sie schon vorzuweisen in Sachen romantischer Vergangenheit? Eine kurze Beziehung mit 21 mit einem Hobby-Musiker , Simon, er hatte weder das Talent noch das Charisma von Eliot Wagner gehabt und sie trotzdem mit dem erstbesten Groupie betrogen.
Ein paar Affären, die meistens damit geendet hatten, dass sie sich verliebt hatte – ihr Gegenüber aber nicht. Jedes Mal hatte es Tränen gegeben und jedes Mal war sie etwas härter geworden, wenn auch noch nicht verbittert, zumindest hofft sie das. Desillusioniert einfach. Was sie nicht davon abgehalten hatte, wieder in die gleiche Situation hinein zu geraten. Diesmal mit Janosch.
Sie verdrängt den Gedanken und richtet ihre Aufmerksamkeit wieder auf Irina Agren, die Frau, die in Liebesdingen viel mehr Glück zu haben scheint als sie. Glück hat ja die blöde Angewohnheit, sich unregelmässig zu verteilen. Vielleicht hat Irina Agren den Anteil Glück abbekommen, der eigentlich ihr zustehen sollte. Der Gedanke würde sie eigentlich amüsieren, wäre da nicht diese seltsame Wehmut.
„Wie schön“, sagt sie jetzt und bezieht das auf die Geste von Eliot und die Tasche, die er seiner Freundin geschenkt hatte. „Ja. Er wusste, dass ich schon mit 15 von genau einer solchen Tasche geträumt hatte.“ Alys fragt sich, wie jung Irina war, als sie mit Eliot zusammenkam. 17? 19?
In diesem Moment kommt er zurück und drückt Irina ein paar Briefe und ein Paket in die Hände. „Macht es dir wirklich keine Umstände?“ Sie schüttelt den Kopf und lächelt. „Danke“, sagt er. „Wann kommst du heute heim?“, fragt sie.
„Ich fahr nach der Sitzung ins Studio, ich weiss es noch nicht, wir müssen an ‚Candy’ herumexperimentieren, ich bin damit noch gar nicht zufrieden ...“ Zwischen seinen Augenbrauen erscheint eine Furche, die sonst nicht da ist und sein Blick ist irgendwo im Raum, als wäre er in Gedanken weit weg. „Es könnte spät werden“, fügt er hinzu. „Alles klar.“ Irinas Tonfall ist heiter, aber ein seltsamer Ausdruck flackert über ihr Gesicht und ist gleich wieder weg, oder scheint es nur so ?
Irina wirft einen Blick auf ihre Armbanduhr. „Ich muss los ... Auf Wiedersehen.“ Sie winkt Richtung Alys. In diesem
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