Sehnsüchtig (German Edition)
Wange. „Du hast ja ganz heisse Wangen.“
„Sie zahnt“, wirft Irina vom Sofa her ein. „Sind die Zähne wieder böse?“, fragt er seine Tochter und streicht ihr eine Strähne aus dem Gesicht. Sie hat genau die gleiche Farbe wie sein Haar, fast Schwarz mit einem warmen braunen Schimmer drin.
„Da ist ja die zweite meiner beiden schönen Frauen ...“ Mit Lilli auf dem Arm kommt er näher, beugt sich über sie und küsst sie. Lange. Der Kuss ist nicht mehr wütend, sondern liebevoll. Und schmeckt nach Schokolade.
„Mmh. Du schmeckst nach Schokolade ...“
„Ja, das müssen die Schokoladenmuffins gewesen sein, erinnerst du dich an jene in Bettys Diner?“ Natürlich tut sie das, die sind eine Sünde wert. Vielleicht auch zwei. Er setzt sich neben sie, mit Lilli auf dem Schoss, die mit seinen Fingern spielt. Er legt den freien Arm um sie und unwillkürlich lässt sie ihren Kopf gegen seine Schulter sinken. Er ist jetzt da. Das ist gut so. Und solange Lilli nicht im Bett ist, ist sowieso keine Zeit für klärende Gespräche.
„Du warst in Bettys Diner? Die Songtexte sind doch fertig.“ Manchmal fährt er zum Texten dahin, er sagt, der Ort inspiriere ihn, die Autobahn, die vorbeifahrenden Autos, die Musik, die läuft ... Manchmal nimmt er Marlen mit.
„Ja, wir sind für die Grafik-Sitzung raus gefahren, wegen dem CD-Booklet.“
Sie dreht den Kopf, damit sie ihn ansehen kann. Ihre blauen Augen treffen seine braunen. Diese Augen, auch nach fast zehn Jahren haben sie nichts von ihrer Faszination verloren. Er hat diesen Ausdruck in den Augen, hatte sie zu ihrer damals besten Freundin gesagt, nachdem sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte, es hatte begeistert geklungen. „Diesen Ausdruck, ich weiss auch nicht, er hat warme Augen. Warm, fröhlich und irgendwie lieb. Lach nicht ...“
„Stimmt, mit der Grafikerin, mit Alys ... Wie ist es gelaufen?“
Sein Daumen fährt immer wieder ihren Oberarm entlang. "Gut. Sie hat eine Menge Ideen, ich auch, und man kann gut mit ihr diskutieren. Ich habe ein gutes Gefühl."
„Die Sachen, die du mir auf ihrer Homepage gezeigt hast, sind wirklich gelungen. Sie ist sympathisch.“ Er streicht über Lillis Haar. „Ja, das ist sie.“
„Ausserdem ist sie ziemlich hübsch, auf eine ungewöhnliche Art“, wirft Irina ein. Er dreht sein Gesicht in ihre Richtung und ihr Blick verhakt sich mit seinem. Dann grinst sie und er grinst zurück. Sie mag ihre Schwächen haben, aber Eifersucht gehört nicht dazu. „Ja“, sagt er ruhig. „Ja, das ist sie wohl ...“
Einen Moment schweigen beide, aber es ist kein unangenehmes Schweigen. Sie war sich seiner Liebe immer sicher gewesen. Eifersucht ist etwas für unsichere Frauen und das ist sie nicht. Ausserdem, warum sollte sie sich unnötig das Leben schwer machen? Er ist so oft unterwegs und hat jede Menge Gelegenheiten. All die Mädchen, die bei den Konzerten in der ersten Reihe stehen, zehn Jahre jünger als sie, all die anderen attraktiven Frauen, die er kennt und mit denen er beruflich oder privat zu tun hat, Marlen zum Beispiel. Doch sie vertraut ihm, und bisher hat er ihr nie einen Grund gegeben, es nicht zu tun. Er liebt sie. Sie liebt ihn. So einfach ist das. Trotzdem. Wir müssen reden.
Lilli ist auf seinem Schoss eingeschlummert, die dunklen, langen Wimpern, die sie von ihrer Mutter hat, flattern von Zeit zu Zeit. Einmal mehr fragt sich Irina, was ihre Tochter wohl träumen mag ... Zum Glück hat sie ihr vorher schon das Pyjama angezogen. Gelb, mit Bären drauf. „Ich bringe sie ins Bett“, sagt Eliot und verschwindet mit Lilli auf den Armen im Flur.
Irina wirft einen Blick auf das Chaos auf dem Wohnzimmerboden und entscheidet zu bleiben, wo sie ist. Sie zieht die Beine an und schiebt sich ein Kissen in den Rücken. Langsam beginnt die Tablette zu wirken. Zum Glück. Bald darauf kommt Eliot zurück. Von weitem hört sie die Melodie von Lillis Musikdose, lieblich, beruhigend ... „Sie hat noch einmal kurz die Augen aufgemacht“, sagt er. Er hat etwas in der Hand, Papier knistert. „Was hast du da?“
„Ich zeig es dir gleich“, verspricht er und versteckt es hinter seinem Rücken. „Eli“, sagt sie halb belustigt, halb ungeduldig. Er grinst.
„Ungeduldig, wie immer“, sagt er und lässt sich neben sie aufs Sofa fallen, die eine Hand immer noch hinter dem Rücken. Die freie Hand legt er an ihre Wange. „Du bist blass“, sagt er. Es klingt besorgt. Sie winkt ab. Dann fällt sein Blick auf die Ponstan-Packung
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