Sehnsüchtig (German Edition)
Mâle’ von Gaultier hüllt sie ein, auch Düfte können schmerzen. Sie hatte ihm das Parfüm geschenkt, weil sie findet, dass es an einem Mann nichts Besseres geben kann – ausser vielleicht diesen geheimnisvollen Duft, den Eliot benutzt. Sie fühlt Mirandas Blick an ihnen beiden haften, wahrscheinlich nützt es auch bei ihr. Er setzt sich neben sie und sie versucht, seinen Geruch möglichst nicht einzuatmen. Das stellt sich als schwierig heraus.
„Wie geht es dir so?“, will er wissen. Miranda lehnt sich ein wenig in Janoschs Richtung und studiert Alys’ Gesicht ganz aufmerksam, als interessiere sie die Antwort ebenfalls. Aus dem Augenwinkel sieht Alys, wie Mascha ein wenig das Gesicht verzieht.
„Es geht mir super.“
„Du siehst müde aus“, sagt er, aber es klingt nicht, als wolle er ihr eins auswischen, sondern ein wenig besorgt. „Alys arbeitet sehr viel“, mischt sich Mascha von der anderen Seite des Tisches her ein. Lass es einfach, Mascha, auch wenn du es lieb meinst. Zu spät, denn sie fügt jetzt an: „So ein CD-Booklet gibt viel Arbeit, aber ich habe die Entwürfe gesehen, sie sind Spitzenklasse ...“
Janoschs Gesichtsausdruck ändert sich nicht. „Du hast den Auftrag also bekommen.“
„Ja“, sagt Alys schlicht. „Was für eine Referenz!“, fügt Mascha an und alle Blicke wenden sich wieder ihr zu. „Für wen arbeitest du denn?“, will Miranda wissen. „Alys ist für das Artwork von Eliot Wagners neuem Album verantwortlich“, sagt Mascha bevor Alys den Mund aufmachen kann. Es klingt nach Genugtuung.
Miranda macht grosse Augen. „Der Eliot Wagner, der den Titelsong für „Sehnsüchtig“ geschrieben hat? Der ist klasse.“ Sie lässt ein mädchenhaftes Kichern hören. „Ja, klasse ist er allerdings“, sagt Mascha. Miranda wendet sich Alys zu, als wolle sie eine Bekräftigung hören. „Eliot ist toll“, sagt sie nur.
„Eliot?“, fragt Janosch. „Nicht Herr Wagner?“
„Künstler sind nun mal ungezwungen“, gibt sie zurück, einen ungeduldigen Unterton in der Stimme. „Das kann ich mir vorstellen.“ Er lehnt sich etwas von Alys weg, im Mirandas Richtung. Diese blickt von einem zum anderen, sieht etwas verdutzt aus. „Alys, du bist dran mit Getränke holen“, wirft Mascha ein. „Stimmt ...“, sagt Alys erleichtert und steht auf. „Was willst du?“, fragt Janosch und legt kurz die Hand auf Mirandas Rücken. „Ich nehme einen Orangensaft.“
„Miranda ist sehr sportlich, sie läuft am Wochenende ein Langlauf-Rennen ...“ Danke für den Seitenhieb auf mein unsportliches Wesen. Wie sie es wohl findet, dass du rauchst? Oder hast du mittlerweile aufgehört? „ Einen Orangensaft, also ...“ Alys garniert den Satz mit einem Lächeln. „Ich komm mit und helfe dir ...“ Das ist Mascha.
„Sie kann dir nicht das Wasser reichen“, mäkelt sie an der Bar. „Das ist nett von dir, aber du musst nicht Partei für mich ergreifen. Sie ist niedlich, ein wenig unsicher vielleicht. Sie hat tolle Kurven.“ Mascha verdreht die Augen. „Und sie ist ja so sportlich“, äfft sie Janoschs Stimme nach. Alys lacht. „Davon hat er wenigstens im Bett was. Und von den Kurven auch. In dieser Hinsicht kann ich ihr auf keinen Fall das Wasser reichen.“
„Pff“, macht Mascha. „Meinst du wirklich, die haben was miteinander? Sie kann ja gar nicht Janoschs Typ sein, sie ist so anders als du ...“ Alys winkt dem Barkeeper. „Keine Ahnung. Facebook hat mir verraten, dass sie zusammen in London waren. Noch mit anderen Leuten, aber trotzdem. Soll er mit ihr ins Bett gehen, das ist OK, ich habe es ja beendet ...“
„Ich sehe dir aber von weitem an, dass es dir nicht egal ist ...“ Alys zuckt mit den Schultern. „Sieht er es auch?“, will sie dann wissen. „Nein, ich glaube, das sehe nur ich.“
„Gut ... Nach dem Drink gehe ich übrigens heim, ich bin todmüde.“
„Das ist eine gute Idee. Ich komme dann auch. Vielleicht haben wir Glück und die beiden gehen schon vorher. Vielleicht braucht sie noch ein Ausdauertraining“. Mascha wirft einen Blick der Kategorie Wenn-Blicke-töten-oder-zumindest-verletzen-könnten nach Janosch. Der böse Spruch bringt Alys zum Lachen, auch wenn sie sich gleichzeitig fühlt, als wäre sie zu lange unter Wasser gewesen. In der Brust brennt es, atmen ist anstrengend.
*
Alys weiss nicht, was sie erwartet hat. Aber auf jeden Fall nicht das ältere Reihenhaus in einer Siedlung wie es dutzende davon in der Stadt gibt. Mit einem
Weitere Kostenlose Bücher