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Sehnsüchtig (German Edition)

Sehnsüchtig (German Edition)

Titel: Sehnsüchtig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanne Woodtli
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308. Ein hübsches und vor allem modernes Auto. „Ich kann verstehen, dass er darauf besteht“. Alys grinst. „Es ist ja auch ein tolles Auto.“
    „Ja, wenn auch nicht sehr praktisch, wenn man ein kleines Kind hat ...“ Irina greift nach dem Türgriff. Durch das Fenster sieht Alys den Kindersitz auf der Rückbank. „Einer in der Familie muss ein praktisches Auto fahren. Das bin dann ich.“ Sie lächelt und steigt ein. Alys tut es ihr gleich. Irina startet den Motor und fährt durch die kleinen Quartierstrassen Richtung stadtauswärts. Das Autoradio spielt eine CD ab, Alys erkennt die Musik schon nach ein paar Takten. „Paolo Nutini“, stellt sie fest. Coming up easy.
    Irina nickt. „Ich liebe ihn.“
    „Ich mag ihn auch.“
    „Hast du ihn schon mal live gesehen?“
    „Ja, vor etwa zwei Jahren auf einem Openair. Er war auf Drogen, glaub ich – aber das Konzert war genial.“
    „Stimmt, man weiss nie so recht ob er etwas genommen hat oder ob er wirklich so ist – aber er ist wahnsinnig gut. Ich liebe seine Texte, sie haben eine Tiefe für jemanden, der so jung ist ... Wie alt bist du eigentlich?“
    „Ich bin 27“, sagt Alys.
    „Jahrgang 84?“
    „Genau ... Ich werde im März 28.“
    „Dann bin ich ein knappes Jahr älter als du. Ich werde im Juni 29.“
    Dann lag ich mit meiner Schätzung also richtig . Irina ist nicht einmal ein Jahr älter als sie und doch an einem ganz anderen Punkt in ihrem Leben. Seit zehn Jahren mit einem Mann zusammen, bald verheiratet – bald? Sie hat keine Ahnung, wie Eliots und Irinas Pläne aussehen. Zurzeit fehlt ihnen sicher die Zeit für eine Hochzeit, aber vielleicht nach der nächsten Tour? Sie fragt sich, warum sie überhaupt darüber nachdenkt. Was geht es mich an? Aber auf jeden Fall verlobt und Mutter einer Tochter, dazu erfolgreich in ihrem Beruf ... Offensichtlich eine Frau, die alles auf die Reihe bekommt; eine Frau, die man sich als Vorbild nehmen könnte.
    „Wo fahren wir eigentlich hin?“, fragt sie, um sich abzulenken. Es war noch nie gut, zu sehr über Dinge nachzudenken, die andere Frauen in ihrem Alter bereits erreicht haben; es macht sie unsicher und sie fühlt sich dann jeweils unzulänglich, obwohl das Unsinn ist, schliesslich läuft es bei mir gar nicht so schlecht. Ich kann von meiner Ausbildung leben und das ein paar Monate nach dem Abschluss.
    „Wir fahren ins TFC“. Als Irina den fragenden Ausdruck auf Alys Gesicht sieht, setzt sie zu einer Erklärung an: „’The Fashion Centre’. Das ist ein Grosshandelszentrum für Textilien und Bekleidung. Jede Menge Marken haben dort Ausstellungsflächen und Shops für ihre Kunden, also für die Betreiber von Kleiderläden. Ich arbeite regelmässig mit ihnen zusammen, schaue mir Kataloge an, schreibe ihnen, was ich mir gerne ansehen würde – sie stellen die Stücke dann für Shootings und Drehs zur Verfügung, das ist ja beste Werbung für sie.“
    Das TFC ist ein grosser Plattenbaukomplex in der Industriezone, nahe der grossen Konzerthalle, „die ich nie im Leben füllen werde“, hatte Eliot gesagt, damals als sie von Betty’s Diner zurückgefahren waren. Es ist ein hässliches Gebäude, Schönheitssinn kann man den Architekten der Sechzigerjahre wirklich nicht vorwerfen ...
    „Bereit für einen anstrengenden Nachmittag?“, fragt Irina, während sie den Peugeot in der Tiefgarage schwungvoll einparkt. Alys schmunzelt. „Ja, ich denke schon ...“
    „Gut“, sagt Irina und greift nach ihrer Handtasche. „Dann wollen wir mal ...“

 
    NICHT DER RICHTIGE ZEITPUNKT
     
    Er findet sie im Wohnzimmer als er nach Hause kommt. 22:35 Uhr, sagt die Anzeige an der Stereoanlage. Sie hört John Mayer. Eben läuft ‚Half of my heart’ , aber davon bekommt sie nichts mit. Sie ist auf dem Sofa eingeschlummert, liegt auf der Seite, die Beine angezogen, kaum zu sehen unter der farbenfrohen Wolldecke, die seine Grossmutter gestrickt hatte, als er noch nicht einmal auf der Welt war.
    Er stellt den Gitarrenkoffer neben der Tür ab und beschliesst, erst nach Lilli zu sehen, bevor er sie aufweckt. Lilli schläft ebenfalls friedlich in ihrem roten Schlafsack, der natürlich mit Bären bedruckt ist. Sie hat sich – wie so oft – um 180 Grad gedreht und eine Hand tief in Erics Fell vergraben. Ihr heissgeliebter Teddybär blickt Eliot mit seinen schwarzen Knopfaugen starr an, was machst du hier , scheint er zu fragen. Eliot streicht seiner Tochter sachte durch das dunkle Haar; sie hatte schon viel davon, als

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