Sehnsüchtig (German Edition)
verboten?“, blafft er sie an.
„Lilli schläft.“ Eine erste Träne löst sich aus dem Augenwinkel und rollt über ihre Wange. Normalerweise wird er weich, wenn sie weint. Heute nicht. „Ich weiss“, sagt er gepresst und nimmt noch einen Schluck Whiskey. Versucht, seine Wut herunterzuschlucken, aber das nimmt ihm die Luft. „Ich will kein zweites Kind. Nicht jetzt. Und ich will nicht, dass du das über meinen Kopf weg entscheidest.“
„Wenn du dich nur hören könntest, Eli, wenn du nur hören könntest, wie egoistisch das klingt!“
„Jetzt bin ich egoistisch, was? Super ...“ Er stellt das Glas unsanft ab. Es klirrt protestierend. Ihre Augen schwimmen jetzt in Tränen. „Ich will dir vertrauen können“, bringt er hervor.
„Das kannst du ...“
„Kann ich das? Du schaust mich nicht mal an, wenn du das sagst. Es tut mir leid, aber ich weiss nicht, ob ich das kann ...“
„Es tut dir überhaupt nicht leid!“, kommt laut und scharf. „Nein, das tut es nicht!“, gibt er zurück. Ebenso laut. Im gleichen Moment kommt Lillis Weinen aus dem Kinderzimmer. Sie ist aufgewacht.
„Super, Herr Wagner, super hast du das gemacht ...“ Ihre Schultern sacken nach unten und sie verlässt die Küche. „Ich komme, Bohne“, ruft sie Richtung Kinderzimmer.
„Jetzt bin ich Schuld? Klar ...“, sagt er hinter ihr, greift mit einer Hand nach seinem Handy und mit der anderen nach der Jacke. „Wo willst du hin?“, faucht sie und dreht sich zu ihm um. „Ich muss hier raus“, sagt er ohne sie anzusehen, rauscht an ihr vorbei und bückt sich nach seinen Schuhen. „Du hast getrunken, du kannst nicht fahren“, versucht sie es. Ihre Stimme gehorcht ihr nicht richtig dabei. „Ich fahre nicht, ich gehe zu Fuss. Oder ich nehme ein Taxi. Keine Ahnung.“ Er dreht den Hausschlüssel im Schloss. „Eli ... Eliot ...“, probiert sie es erneut.
Er dreht sich nicht um, öffnet die Tür und ist mit einem Schritt über die Schwelle. Die Nacht schlägt ihm kalt entgegen, er lässt sich nicht davon abhalten. Die Tür hinter ihm fällt ins Schloss, unsanft. Er marschiert zum Gartentor und hindurch, dreht sich nach rechts und ist weg.
Eliot geht die Strasse entlang, ziellos, und raucht eine Zigarette nach der anderen bis das Päckchen leer ist und seine Hände nicht mehr zittern. Seine Hände beginnen immer zu zittern, wenn er wütend ist. Er muss etwa zwanzig Minuten marschiert sein als er sich erstmals umschaut und bemerkt, dass er am Eingang der Altstadt angelangt ist. Eliot spielt mit dem Gedanken, ins Atelier zu gehen, der Schlüssel hängt am Schlüsselbund in seinen Jeans und weit ist es nicht mehr. Anderseits fällt ihm dort die Decke auf den Kopf. Er könnte auch in den Proberaum gehen, aber der ist am anderen Ende der Stadt. Oder einfach in eine Bar, sich einsam an die Theke setzen und einen Drink nach dem anderen kippen. Er könnte auch wieder nach Hause gehen, aber er merkt, dass er dafür noch nicht ruhig genug ist. Er zieht sein Handy aus der Jackentasche. Irina hat weder geschrieben noch versucht anzurufen. Sie weiss, wann es keinen Sinn hat, wann sie einfach warten muss, bis er sich abreagiert hat . Diesmal könnte das eine ganze Weile dauern.
Es ist noch nicht ganz halb elf. Sein Zeitgefühl trügt ihn, als es ihm sagt, dass es schon viel später sei, schon weit nach Mitternacht. Aber das ist ja auch kein Wunder, bei dem wenigen Schlaf letzte Nacht und der Situation an sich. Er dreht sich einmal um die eigene Achse, um sich zu entscheiden, wohin gehe ich ... Er blickt dabei in den Himmel. Es schneit wieder, aber nur wenig. Flocken fallen vom Himmel. Sie machen einen fröhlichen Eindruck, sie scheinen zu tanzen. Es wäre ein schönes Bild – nein, es ist ein schönes Bild, aber er weiss es heute nicht zu schätzen. Er schlägt die Kapuze seiner Lederjacke hoch und dann fällt ihm endlich ein, wohin er gehen könnte. Weit ist es nicht. Froh darüber, ein Ziel zu haben, geht er los, mit grossen Schritten und schnell, damit ihm wieder warm wird. Er ignoriert die kleine Stimme in seinem Kopf, die ihm zu sagen versucht, das ist lächerlich. Es ist lächerlich. Was willst du dort?
Er studiert an einem Songtext herum, eine der besten Strategien, sich abzulenken. Er holt sein iPhone hervor, obwohl seine Finger klamm sind und nimmt den Text auf, wie immer, um sich später daran erinnern zu können.
Zehn Minuten später ist er dort. Er bleibt stehen und blickt an der Fassade hinauf. In beiden Fenstern brennt
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