Sehnsüchtig (German Edition)
gesagt, ich soll Euch allen Backstage-Bändel geben. Anweisung von Eliot Wagner.” Sie zählt drei Bändel ab und betrachtet Alys intensiv, als frage sie sich, wie sie zu dieser Ehre komme. Nein, wir sind keine Groupies.
„Danke”, sagt Alys und greift rasch nach den Bändeln. „Frohes neues Jahr”. Sie geht weiter. Hinter ihr hüpft Mascha auf und ab wie ein Gummiball, ihre Wahnsinnshacken hindern sie nicht an einer sportliche Einlage. Einmal mehr beneidet Alys sie um ihren Gleichgewichtssinn. Ihre eigenen Füsse schmerzen jetzt schon weil ihre Absätze höher sind als üblich. „Backstage-Bändel”, kiekst Mascha aufgeregt. „Schnecke, wenn ich dich nicht sowieso lieben würde, würde ich dich allein für deine Beziehung zu Eliot toll finden.” Die Worte kommen etwas langsam über ihre Lippen, als wiege ihre Zunge schwer. Die drei rasch getrunkenen gespritzten Weissen im ‚Jupiter’ wirken offensichtlich schon … Alys beschliesst, ein Auge auf Mascha zu haben. Wenn sie betrunken ist, gerät sie ausser Rand und Band.
„Ich habe keine Beziehung zu Eliot. Und man könnte meinen, wir wären bei Muse. Oder bei Lenny Kravitz.” Mascha vergöttert Lenny Kravitz. „Ich meine ‚geschäftliche Beziehung’ …”, murmelt Mascha. Sie gerät jetzt doch ein wenig ins Schwanken und Frederic streckt seine Hand aus, mutiger als sonst, vielleicht vom Bier, schlingt sie um ihre Hüfte, stabilisiert sie. Mascha blickt mit grossen Augen zu ihm auf. „Danke”, meint sie dann. „Bitte”, sagt er und nimmt seine Hand rasch weg. Wird er ein wenig rot oder ist es das schlechte Licht? „Wir können jetzt nicht mehr backstage gehen, sie kommen ja nächstens auf die Bühne”, sagt Alys und steuert auf die Garderobe zu. „Ja, aber nach dem Konzert”, sagt Mascha und schlüpft aus ihrem Mantel. „Das lass ich mir nicht entgehen.”
„Nach dem Konzert”, stimmt Alys zu und gibt ihren Mantel ab.
Das Publikum ist heute etwas anders als damals im „Mon Amour”. Weniger junge Frauen, weniger „Sehnsüchtig”-Zuschauer, dafür älter und alternativer. Wahrscheinlich sind heute eher Leute da, die Eliot und die Band schon vor der Geschichte mit der Fernsehserie kannten. Fans von früher. Eliot hatte ihr erzählt, sie hätten nur wenig Werbung für dieses Konzert gemacht, so dass das breite Publikum es vielleicht verpasst hat. Und trotzdem ist die ‚Wunderbar’ voll bis auf den letzten Platz. Es ist ein kleines, verwinkeltes Lokal. Die ‚Wunderbar’ sieht aus wie das Zimmer einer Haremsdame aus einem Märchen aus 1001-Nacht. Kitsch wohin man blickt; so kitschig, dass es schon fast wieder schön ist. Plüschbezogene niedrige Schemel, orientalische Lampen hängen von der Decke, rote Diwane und abgewetzte Sofas in jeder freien Ecke, in orange, lila und pink. Die Bühne ist niedrig und die wartenden Konzertbesucher setzen sich ungeniert auf die Bühnenkante, besprechen zwischen Eliots Gitarrenständer und seinem Amp Neuigkeiten und Klatsch, meine Nachbarin hat eine Affäre mit dem Typen aus dem fünften Stock. Hast du gehört, Sandro hat schon wieder eine Prüfung vergeigt …
Alys grinst. In der „Wunderbar” ist alles anders als an einem Durchschnittsclubkonzert. Wahrscheinlich spielt er darum so gerne hier . Weil es wie im Wohnzimmer eines Freundes ist. Fast.
Mascha setzt ihre Ellbogen geschickt ein und so schaffen sie es immerhin bis in die zweite Reihe. Mascha schert sich nicht um in ihre Richtung gerollte Augen oder unwilliges Gemurmel. Alys fragt sich, warum es Leute gibt, die an Silvester schlechte Laune haben oder warum sie dann überhaupt rausgehen? Bleibt doch zuhause, lästert über das schlechte Fernsehprogramm oder über das Toupet des Moderators, während ihr beim Silvesterstadel mitschunkelt …
Um 22 Uhr gehen auf einen Schlag die Lichter aus und Kelly Jones, der Frontmann von den Stereophonics, verstummt mitten in einem Refrain von ‚It means nothing’. Ein Raunen geht durch das Publikum, einige klatschen erwartungsvoll, vereinzelte johlen. Der elektronische Hintergrundbeat von ‚You don’t own me’ setzt ein, geht direkt in die Beine, Alys beginnt automatisch zu tanzen. Dann kommen sie auf die Bühne, einer nach dem anderen. Erst der Schlagzeuger, mit schulterlangen braunen Haaren und in viel schwarzem Leder. Raoul war sein Name, glaubt Alys. Dann kommt der Keyboarder, schlaksig, Nerdbrille, hiess er Tom?
Als nächstes betritt der Lead-Gitarrist die Bühne, das Bandmitglied, das Alys
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