Sehnsüchtig (German Edition)
hört er Raoul sagen und das Klackern von Absätzen nähert sich. Eliot hebt den Kopf, gespannt auf die Frau, die den taffen Raoul aus dem Konzept bringen konnte.
Dann kommt sie in den Raum und augenblicklich versteht er Raoul. Sie ist eine dieser Frauen, die er manchmal an der Bahnhofstrasse sieht; am teuren Ende der Bahnhofstrasse, versteht sich. Sie machen die Pflastersteine zum Laufsteg, ausgestattet mit sündhaft teuren Handtaschen und Einkaufstüten von ‚Chanel’, ‚Dior’ oder ‚Armani’.
„Hallo“, sagt sie und strahlt ihn an. Zähne wie aus einer Zahnpasta-Werbung, der Mund voll und rot, von der Art, dass bei einem Mann sofort Fantasien im Kopf ablaufen, schmutzige Fantasien, natürlich … Sie ist fast gleich gross wie er und ihre Figur macht der von Marlen Konkurrenz. Model-Material. „Hallo.“ Er steht langsam auf, die Gibson immer noch im Arm. „Eliot, wie schön, dich endlich persönlich kennen zu lernen …“ Sie duzt ihn ungefragt und streckt eine Hand aus, lange Fingernägel, rot lackiert. Krallen. Er hasst diese langen Plastikfingernägel. Was soll daran schön sein? Er greift nach ihrer Hand und sie blickt ihm tief in die Augen. Ihre sind grün und mit viel dunkler Schminke betont. „Jennifer Bürli von ‚StarCore Records’“, stellt sie sich vor. Eine richtige Klischeeblondine, denkt Eliot. Schön, ja, sexy as hell, aber das Lächeln zu eifrig, sich ihrer Wirkung ein bisschen zu bewusst. Er war nie besonders auf Blondinen gestanden, alle seine Freundinnen waren dunkelhaarig gewesen, mal abgesehen von Irina, aber sie ist mehr rothaarig als blond.
„Was verschafft mir die Ehre?“ Er lässt sein Lächeln auf sie los, das träge, ein wenig diabolische, jenes, von dem er weiss, dass es seine Wirkung selten verfehlt. Tatsächlich gerät sie ein wenig aus dem Konzept. Sie zupft am Saum ihres Kleides, das sich türkis an jede Kurve und jede Linie ihres Körpers schmiegt. Er lässt seinen Blick einen Augenblick in ihrem Ausschnitt liegen, gucken ist ja erlaubt, und wartet auf ihre Antwort.
„Wir sind bei ‚StarCore Records’ schon vor längerem auf dich aufmerksam geworden“, sagt sie und garniert den Satz mit einem Lächeln. „Seid ihr das?” Er fragt sich, ob sie den Sarkasmus in seiner Stimme hören kann. Vielleicht beschliesst sie auch einfach, ihn zu ignorieren. „Wolf hat mich geschickt, um dir ein Treffen vorzuschlagen. Er würde dich gern kennenlernen. Wir sind uns sicher, dir ein interessantes Angebot unterbreiten zu können.” Sie fletscht lächelnd ihre Zähne. Wolf , das muss Wolf Kebel sein. ‚StarCore’ ist ein weltweit operierendes Label und Eliot hat schon viel über Wolf Kebel gehört, der den hiesigen Ableger leitet. „Wolf dachte an ein Abendessen, vielleicht im ‘Chez Charles’?” Das ‘Chez Charles’ ist das teuerste Restaurant in der Stadt. StarCore muss es wirklich ernst meinen. „Wie du sicher weisst, bin ich bei Anklang unter Vertrag.“ Sie verlagert ihr Gewicht auf den anderen Fuss, ihre High Heels sehen saumässig unbequem aus. Und teuer. Und sexy. „Ja, das weiss ich”, sagt sie nach einem kurzen Zögern. „Ich bin sehr zufrieden mit meinem Label”, fügt er hinzu und greift wieder nach der Gibson. „Bestimmt, aber ich bin sicher …”
„Jennifer”, unterbricht er sie und ihr Mund klappt zu. „Ich muss mich fertig vorbereiten.” Sie versucht, die Stirn zu runzeln, aber es gelingt ihr nicht richtig. Botox, jetzt schon? Sie kann nicht mehr als 25 sein . „OK”, sagt sie dann und hat ihr Lächeln wiedergefunden. „Ich bin sicher, wir sehen uns nach dem Konzert, ich freue mich darauf …” Er lächelt wieder das sie verunsichernde Lächeln. „Bis dann.” Er setzt sich auf einen Amp und widmet sich seiner Gittare. Sie zögert, dann stöckelt sie davon. Ihr Parfüm hängt noch eine Weile im Raum, süss und verlockend. StarCore. Er schüttelt etwas den Kopf und zieht endlich die Saite fertig auf.
*
„Hallo”, sagt sie zu der Frau hinter der Kasse. „Wir stehen auf der Gästeliste. Alys Allenbach und Mascha Sommer. Plus zweimal Begleitung. Das heisst, wir haben jetzt nur eine Begleitung dabei …”
„Alles klar”, murmelt die Frau und sucht die Liste nach den Namen ab. Dann runzelt sie plötzlich die Stirn. „Da war doch noch was ... ach ja!”, ruft sie dann, greift mit einer Hand in eine Schublade und streicht mit der anderen schwungvoll die Namen durch. „Jemand von der Band war vorher hier und hat mir
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