Sehnsüchtig (German Edition)
Grafikdesign; von Eliot sagt sie nichts. Als sie die Getränke zurück zum Tisch balanciert, hört sie seine Stimme in ihrem Kopf. Er singt ‚Come over here ’, ein Titel, der sich in letzter Zeit zu einem ihrer Lieblingssongs entwickelt hat. Er singt über dieses Mädchen, das ihn fasziniert, Sugar, what’s on your mind, If I looked in your head, what would I find, er singt über Gelüste und dunkle Begierden, You taste like whiskey, I’m on fire, Babydoll, I’ve got this dark desire. Sie fragt sich, ob er eine bestimmte Person vor Augen hatte, als er den Song schrieb. Der Song ist sexy, come over here, where you belong, little black dress, you’ve got your high heels on. Sie summt tonlos mit und reicht Frederic sein Bier und Mascha ihr Glas Wein. Sie setzt sich und nimmt einen grossen Schluck. Der Wein, gemixt mit Limonade, prickelt auf der Zunge, ähnlich wie ihre Haut bei diesem Songtext. Oh if you knew what you do to me – ja, wenn du das wüsstest – let me touch you, let me set you free. Hey pretty, I know you want me too, you act all innocent, but you know it’s true … Sie lässt ihren Blick in ihr Weinglas fallen und kaut auf ihrer Unterlippe herum. Ich muss diese Gefühle in den Griff bekommen. Wie soll das sonst gehen, wenn der Auftrag abgeschlossen ist und ich ihn nicht mehr wiedersehe? Es gibt keine Chance für ihn und mich. Er ist nicht für mich.
„Erde an Alys“, Mascha wedelt mit der flachen Hand vor ihrem Gesicht herum und sie blickt auf. Ertappt … „Was?“, fragt sie hastig. „Wir haben eben darüber geredet, dass bald Titanic in 3D rauskommt, du warst doch immer so Fan von dem Film.“ Alys lächelt verschämt. „Jugendsünde halt, ich werd ihn mir auf jeden Fall ansehen gehen …“ Sie beteiligt sich wieder am Gespräch und blickt regelmässig verstohlen auf die Uhr, noch anderthalb Stunden. Noch eine Stunde und fünfzehn Minuten …
IN WHISKEY VERITAS
„Eliot, da ist jemand, der mit dir reden will …“ Raoul, der Schlagzeuger, steckt seinen Kopf in den kleinen Raum backstage, wo Eliot am Boden zwischen Gitarrenkoffern und Ersatzkabel sitzt. Er blickt von der Saite auf, die er eben am Wechseln ist und furcht unwillig die Stirn. Raoul weiss eigentlich, dass er in der Stunde vor dem Konzert seine Ruhe haben will, die ganze Band weiss es ganz genau …
„Wer ist es?“, will er wissen. „Ist es Alys?“ Seine Stirn glättet sich wieder. Sie kommt ja heute auch – hoffentlich. Er hatte vorher hinter dem Vorhang Ausschau nach ihr gehalten und nach Maschas wilden Locken, aber er hatte sie nicht gesehen, obwohl sich die ‚Wunderbar’ langsam füllt. Raoul macht ein verständnisloses Gesicht. „Wer ist Alys?“
„Die Grafikerin, die das Artwork macht, ich hab euch von ihr erzählt …“
„Ah ja“. Raoul schiebt sich eine schulterlange braune Strähne hinters Ohr. Von der ganzen Band sieht er am meisten nach Rock aus. „Es ist nicht Alys, es ist jemand von ‚StarCore Records’ …“
StarCore Records? Es hat Zeiten gegeben, da hätten die Leute bei StarCore nicht einmal gewusst, wer Eliot Wagner ist. Geschweige denn sich an ein Konzert von ihm verirrt. Oder bemüht. Obwohl, letzte Woche sagte Alain von seinem Label ‚Anklang Records’ am Telefon zu ihm: „Es erstaunt mich, dass die Haie immer noch nicht nach dir geschnappt haben, jetzt, wo du diese saftige Beute bist …“ Eliot grinste und versicherte Alain, er müsse sich keine Sorgen machen: „Ich bin ganz dein und das weisst du auch“. Alain hatte gelacht dabei, aber es klang nicht so richtig überzeugt.
„Ich hab jetzt keine Zeit.“ Raoul zögert. „Ich weiss nicht, ob sie sich so leicht abwimmeln lässt. Sie ist sehr überzeugend.“ Er sieht gequält aus und malt mit seinen Händen weibliche Formen in die Luft. Eliot grinst. „Was kann ich dafür, wenn die Puppe von dem bösen grossen Label deine Hormone zum Tanzen bringt? Sag ihr, sie soll nach dem Konzert wiederkommen.“
Raoul legt den Kopf ein wenig schief und macht Hundeaugen, die so gar nicht zu dem vielen schwarzen Leder und dem Nietengurt passen wollen. „Schön“, stösst Eliot hervor. „Sie hat fünf Minuten. Und du, geh bitte zur Kasse und sag denen, sie sollen für Alys Allenbach und Mascha Sommer Backstage-Bändel bereithalten.“ Raoul nickt eifrig. „Alys Allenbach. Mascha Sommer. Alys Allenbach. Mascha Sommer.“ Er leiert die Namen auf dem Weg aus dem Raum gebetsmühlenartig herunter.
„Herr Wagner ist da drin“,
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