Sehnsüchtig (German Edition)
nach vorne geht und euch selbst die Mühe macht?“ Eliot schliesst einen Hemdknopf. „Du bist langweilig ...“, beschwert sich Levin. „Und wenn du schon nichts für die weibliche Aufmerksamkeit übrig hast, jemand muss sich ja um die Mädchen kümmern.“ Er lächelt und sein Blick trifft Alys. Sie blickt nicht zurück. Es überrascht sie immer wieder, wie niveaulos Männer sein können, wenn sie unter sich sind. Wie sie Frauen zu Objekten degradieren . Sie spürt Levins Blick ihren Körper abtasten. Eine andere Frau würde sich vielleicht geschmeichelt fühlen, sie fühlt sich nur bedrängt. Im gleichen Moment legt sich Eliots Hand auf ihre Schulter. Jetzt fühlt sie sich nicht mehr bedrängt. Eher beschützt. „Ich brauch nicht lange. Nimm dir was zu trinken, für Mascha und Frederic auch. Es ist genug da. Wenn ich zurück bin, stossen wir an. In 30 Minuten beginnt ein neues Jahr.“ Dankbar lächelt sie zu ihm auf. „Alles klar. Viel Spass.“
*
Er versucht sich auf die Frau zu konzentrieren, die ihn anstrahlt und ihm seine eigene CD entgegenstreckt. Es fällt ihm schwer. Er maskiert es mit einem Lächeln. „Wie heisst du?“
„Diana.“ Sie blickt mit grossen Augen zu ihm auf. Diana. „Für Diana von Eliot, also“. Am besten den Vornamen wiederholen bevor er ihn wieder vergisst. Gute Taktik. Er zückt den Stift, dick, schwarz, wasserfest und signiert die CD. Etwas weniger schwungvoll als sonst. Jeder Buchstabe fordert ihm heute einiges ab. Für Diana von Eliot.
„Bitte sehr. Danke, dass du heute gekommen bist.“
„Vielen Dank! Gutes neues Jahr.“
„Das wünsche ich dir auch.“ Er greift nach der nächsten CD. Lächeln, Nicken, nach dem Vornamen fragen. Er weiss nicht wie oft er dieselbe Routine heute schon abgespult hat. Dabei steht er wahrscheinlich erst zehn Minuten hier. Normalerweise geniesst er den Kontakt mit den Menschen nach dem Konzert. Die Freude, die er ihnen mit seiner Musik bereiten konnte. Feedback von den Fans. Manchmal entwickeln sich interessante Gespräche oder ein netter Wortwechsel. Aber heute ist nicht ‚normalerweise’. Er ist abgelenkt und er merkt, dass er mehr getrunken hat als sonst. Er trinkt nie mehr als ein Bier von einem Konzert. Ein Bier ist perfekt, es lockert ein wenig. Heute war es ein Glas Whiskey statt einem Bier gewesen. Zwei weitere Gläser folgten, sie waren schnell leer. Und es werden für heute nicht die letzten gewesen sein. Er kennt die verschiedenen Phasen von Trunkenheit, die sich jedes Mal ein wenig anders äussern. Zuerst hüllt ihn der Alkohol in einen Kokon. Warm und behaglich. Dann fühlt er sich wohl, ist gut drauf, findet leicht die richtigen Worte, ist offen und fröhlich. Diese Phase hatte er heute während dem Konzert. Nur für kurze Zeit. Jetzt ist sie vorbei. Eine andere Phase ist eingetreten, eine, die er nicht jedes Mal durchläuft, aber heute schon. Aus seiner schlechten Laune wird eine miserable Laune. Selbstmitleid mischt sich mit Ärger. Die Stimmung kippt ins Depressive. In dieser Phase befindet er sich momentan. Nicht optimal fürs Autogramme-Geben. Noch scheint es keiner bemerkt zu haben. Aber Lächeln ist anstrengend, die Mundwinkel tun ihm weh. Und obwohl er es nicht will, beschäftigen sich seine Gedanken nur mit Irina. Und mit dem, was heute Nachmittag passiert ist. Oder nicht passiert ist, besser gesagt.
*
Es ist still im Haus ohne Lilli. Es hatte all seine Überredungskunst gebraucht, Irina davon zu überzeugen, die Kleine bis morgen bei seinen Eltern zu lassen, damit sie Silvester mit ihren Freundinnen feiern kann. Nachdem sie sich schon gestritten hatten, weil er an Silvester einen Gig annahm statt mit ihr zu feiern, will er wenigstens, dass sie selbst auch etwas von Silvester hat. Und nicht zuhause alleine auf Lilli aufpassen muss. „Du warst ewig nicht mehr mit deinen Frauen weg, lecker essen, Champagner, tanzen gehen“. So hatte er versucht, es ihr schmackhaft zu machen. Sie wirkte nicht begeistert. Erst nach mehrmaligem Nachfragen erklärte sie schliesslich ihre abwehrende Haltung. Sie hat Bedenken, dass sie und ihre Freundinnen von früher sich nichts mehr zu sagen haben. Gut, sie war schon immer die Reifste von ihnen gewesen, schon mit 18, und jetzt ist sie Mutter. Als einzige. Das hat sie bestimmt verändert. Trotzdem findet er, dass ihr ein solcher Abend gut tun wird. Mal wieder unbekümmert sein, wie man es mit 28 noch sein darf und auch sein soll. Schliesslich hatte sie sich
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