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Sei dennoch unverzagt: Gespräche mit meinen Großeltern Christa und Gerhard Wolf (German Edition)

Sei dennoch unverzagt: Gespräche mit meinen Großeltern Christa und Gerhard Wolf (German Edition)

Titel: Sei dennoch unverzagt: Gespräche mit meinen Großeltern Christa und Gerhard Wolf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Simon
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Es ging das Gerücht um, Wolf habe direkten Kontakt zu Gorbatschow. Ich fragte ihn, ob er dem nicht vor Augen führen könne, dass die DDR am Zusammenbrechen sei. So direkt sei der Kontakt nicht, sagte er, aber er kenne Leute, die ihn kennen. Wolf sagte, er denke, dass die DDR -Kombinatsleiter, die das alles sähen und wüssten, dass die das Ruder noch einmal herumreißen würden.
    JS     Die Kombinatsdirektoren, wie kam er denn darauf?
    GW     Er dachte von der Wirtschaft aus.
    CW     Ich erzählte Markus Wolf auch von dem inneren Konflikt, an dem sein Bruder Konrad zugrunde gegangen war. Konny hatte sehr anständig die Akademie der Künste geleitet. Ich hatte ihm aber zuvor von dieser Funktion abgeraten. Ich hatte ihm gesagt: »Entweder du gehst daran kaputt, oder du musst die Scheiße mitmachen.« Bei der Biermann-Sache musste er dann plötzlich die offizielle Parteilinie vertreten.
    JS     Ihr wart doch eng mit ihm befreundet, war das danach vorbei?
    CW     Wir waren sehr befreundet, als wir gemeinsam an den Filmen arbeiteten. Gerd war dann noch Dramaturg bei anderen Filmen von ihm gewesen, bei Ich war 19 und Der nackte Mann auf dem Sportplatz …
    GW     … Solo Sunny hat er schon mit Wolfgang Kohlhaase gemacht. Da war unsere Freundschaft bereits etwas abgekühlt.
    JS     Warum war sie abgekühlt, aus politischen Gründen?
    GW     Die Freundschaft hatte viel mit der Arbeit zu tun. Aber wir fühlten uns immer noch befreundet, obwohl wir ihn nicht mehr oft sahen. Wir wussten, dass er das 11 . Plenum offiziell verteidigt hatte. Er war oft anderer Meinung. Wir hätten aber trotzdem wieder etwas zusammen machen können. Ich sah ihn nicht als Gegner. Bestimmte Dinge hatten sich eben erledigt. Letzten Endes vertrat er politisch eine ganz andere Meinung als wir.
    CW     Konny? Nicht so sehr.
    GW     Aber natürlich!
    CW     Aber Gerd, am Vorabend des 11 . Plenums war ich doch bei ihm, und er sagte: »Christa, jetzt musst du sprechen, sonst gibt es eine Katastrophe!«
    GW     Ja, aber danach. Ich lese dir vor, was er nach dem 11 . Plenum gesagt hat …
    Mein Großvater steht auf, will ins Nebenzimmer gehen, um nach dem Buch zu suchen, in dem das steht. Meine Großmutter hält ihn zurück.
    CW     Na gut.
    GW     Als Akademiepräsident musste er politisch die Parteilinie vertreten. Trotzdem akzeptierten wir ihn als Mensch. Man verstand seine Situation. Er hatte sich in den Apparat hineinbegeben, er wollte das Beste. Aber zum Besten gehörte auch, dass er in bestimmten Situationen die offizielle Linie verteidigen musste.
    CW     Konny war ein Mann, der wirklich einen anderen Sozialismus wollte. Einmal gab es ein Essen bei Stephan Hermlin mit dem Schriftsteller Peter Weiss 92 , der in Schweden lebte und mit dem wir ganz gut bekannt waren. Dort wurde sehr offen über die DDR geredet. Weiss war ein Linker und wollte, dass die DDR so wird, wie man sie sich wünschte. Er war auch mit Konny befreundet, der mit ihm aber nicht offen sprach. Peter Weiss fragte uns: »Warum sagt mir der Konrad Wolf das nicht?« Ich fragte Konny dann: »Sag mal, warum redest du nicht mit Peter Weiss? Du kannst ihn über die Situation in der DDR nicht im Unklaren lassen.« Da antwortete Konny: »Mensch, ich weiß ja selbst oft nicht, was ich denken soll. Ich kann ihm doch nicht meine Zweifel auch noch aufbürden.«
    JS     Mich interessieren diese Freundschaften, ihr habt einmal erzählt, dass viele nach dem Mauerfall zerbrachen. Woran liegt das?
    CW     Ja, einige zerbrachen. Dafür kamen andere hinzu. Aber insgesamt stimmt das schon. Zum Beispiel die Freundschaft zu Günter de Bruyn.
    GW     Er hat es anscheinend nie als wirkliche Freundschaft gesehen, wenn man seine Autobiographie 93 liest …
    CW     Für uns war es eine Freundschaft, aber für ihn wohl nicht.
    JS     Gingen die Freundschaften immer aus politischen Gründen auseinander?
    CW     In dem Fall ja, weil er sich uns gegenüber plötzlich so anders zeigte, als wir ihn die ganzen Jahre über gekannt hatten. Da musste man das Gefühl bekommen, er habe uns getäuscht.
    GW     Bei dem Aufruf Für unser Land, den wir unterschrieben hatten, ist er mit Recht ausgestiegen. Das war nicht seine Sache.
    CW     Aber vorher in der DDR konnte man sich absolut auf ihn verlassen. Zum Beispiel bei den richtig schlimmen Versammlungen im Schriftstellerverband 1979 , bei der neun Schriftsteller 94 ausgeschlossen

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