Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sei dennoch unverzagt: Gespräche mit meinen Großeltern Christa und Gerhard Wolf (German Edition)

Sei dennoch unverzagt: Gespräche mit meinen Großeltern Christa und Gerhard Wolf (German Edition)

Titel: Sei dennoch unverzagt: Gespräche mit meinen Großeltern Christa und Gerhard Wolf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Simon
Vom Netzwerk:
bestimmten Autorinnentyp, der sich absolut auf das Schreiben konzentriert. Das habe ich nicht gemacht, das ist bestimmt auch ein Nachteil. Ich wollte dem Schreiben nicht mein ganzes Privatleben unterordnen. Dann wird aber auch das Schreiben nicht so absolut.
    JS     Meinst du?
    GW     Das ist eine andere Art von Existenz – ganz vom Schreiben besetzt sein wie Ingeborg Bachmann.
    JS     Als Jugendliche habe ich eine Zeitlang Simone de Beauvoir sehr bewundert, aber dann las ich eine Biographie über sie, in der beschrieben wurde, wie sie sich von Sartre demütigen und erniedrigen ließ 124 . Da verging meine Bewunderung schnell.
    GW     Sie war ganz auf diesen Mann fixiert.
    Wir haben aufgegessen, schweigen einen Augenblick. Draußen ist es bereits dunkel.
    GW      (zu CW ) Bist du müde? Er wendet sich mir zu. Ich habe noch vorzügliches Eis im Kühlschrank!
    Mein Großvater holt eine große Packung Schokoeis aus dem Eisfach. Ich esse eine Portion.
    JS     In Prenzlauer Berg, wo ich wohne, sieht man jetzt überall diese Biomütter, die nur bestimmte Kleidung tragen, nur bestimmte Kinderwagenmarken herumschieben und natürlich nur im Biomarkt einkaufen. Man hat den Eindruck, die Kinder bestimmen vollkommen das Leben ihrer Eltern. Daneben existiert nichts mehr.
    Außerdem gibt es einen Babyboom. Ich muss mein Kind schon als Schwangere für einen Kindergartenplatz anmelden, damit es in einem Jahr vielleicht einmal einen Platz bekommt. Und in manchen Kitas muss man putzen, kochen oder Essen mitbringen.
    CW     Oh Gott!
    GW     Ich sehe vor unserem Bioladen hier in Pankow auch viele junge Frauen mit ihren Kindern, die kaufen riesige Mengen ein. Ich staune immer, die müssen ihre Kinder aus den Wagen heben, um sie vollzuladen.
    JS     Weil viele heute so spät Kinder kriegen und manchmal nur eins, wird das Kind zum absoluten Lebensmittelpunkt.
    CW     Ich besitze nur ein Foto von mir aus der Schwangerschaft.
    Auf dem Küchentisch liegt mein Handy, mein Großvater nimmt es in die Hand und betrachtet es. Meine Großeltern besitzen auch ein Mobiltelefon, mein Cousin hat es ihnen geschenkt.
    GW      (zu JS ) Wie geht das an?
    JS     Habt ihr jemals euer Handy benutzt?
    CW     Zwei-, dreimal unterwegs. Es ist auch ein klobiges Ding. (zu JS ) Du könntest ohne Handy doch gar nicht mehr leben!
    GW     Gibt es dazu eigentlich eine Anleitung, wie man was macht?
    JS     Ja, aber man lernt es sehr schnell und gewöhnt sich daran. Ihr braucht auch nicht wirklich ein Handy.
    CW     Nein, wenn uns jemand anrufen will, erreicht er uns in Berlin oder in Woserin. Nur im Auto habe ich ein Handy bei mir.
    GW     Aber das ist nie aufgeladen.
    CW     Doch, ich lade es vorher auf.
    GW      (zu JS ) Wie oft musst du dein Handy aufladen?
    JS     Ziemlich oft. Ein Leben ohne Handy kann ich mir nicht mehr vorstellen und noch weniger eins ohne Internet. Wie ich einmal ohne Netz arbeiten und recherchieren konnte, ist mir ein Rätsel.
    CW     Dadurch wirst du richtig bequem, nutzt keine Bibliotheken und Archive mehr.
    Mein Großvater verlässt die Küche, es ist spät geworden, und Technik ist kein Thema, das ihn begeistert.
    JS      (zu CW ) Würdest du nicht manchmal gern das Internet nutzen?
    CW     Manchmal denke ich, ja. Aber E-Mails möchte ich nicht schreiben. Neulich habe ich zwei Männer getroffen, die erzählten, sie bekämen hundert E-Mails am Tag. Ich sagte: »Dann können Sie doch den ganzen Tag nichts anderes machen!« Das ist eben deren Arbeit. Sie meinten, sie könnten auch nicht verreisen, was sich da ansammelte, könnten sie gar nicht mehr aufholen. Und wenn sie einmal in den Urlaub fahren, gehen sie alle halbe Stunde an den Laptop und schauen, ob eine Mail da ist, und beantworten sie. Die beiden sagten, wenn man E-Mails empfange, werde erwartet, dass man sie noch am gleichen Tag beantworte. Sie haben nie Ruhe. Das ist doch furchtbar.
    JS     Man muss aufpassen, dass man sich nicht komplett von der Technik abhängig macht. Wir haben Wireless LAN zu Hause, sind eigentlich immer im Netz. Wenn ich am Computer sitze, schaue ich jede halbe Stunde in mein Mailaccount. Das wäre für euch zu viel Ablenkung. Man ist immer erreichbar. Manchmal ist es aber auch sehr bequem, es geht viel schneller. Ihr schreibt ja sogar noch Briefe!
    CW     Ich amüsiere mich über Leute, die mir über den Verlag Mails schreiben und davon ausgehen, dass ich auch

Weitere Kostenlose Bücher