Sei dennoch unverzagt: Gespräche mit meinen Großeltern Christa und Gerhard Wolf (German Edition)
auseinandergehen kann, weil man so viel gemeinsam erlebt und gemacht hat.
CW Im Grunde ist es eine Symbiose. Wenn heute einer etwas über mich wissen will, über eine bestimmte Zeit oder über eine Veröffentlichung, schicke ich ihn zu Gerd.
JS In meiner Generation gibt es wenige Paare in meinem Umfeld, die lange zusammen sind. Wenn ich sage, dass ich schon seit 16 Jahren mit Frank zusammenlebe, kommt stets die Rückfrage: »Wie alt bist du denn?« Viele denken dann, ich bin schon seit dem Kindergarten mit ihm liiert. Ich war 19 , Frank 20 . Normalerweise geht einer da studieren und der andere dort. Wir sind überallhin gemeinsam gegangen – nach London zum Studium oder nach Moskau zum Praktikum. Man merkt aber, man ist die große Ausnahme und wird bestaunt. Ich frage mich manchmal, woran das liegt. Vielleicht kommt es daher, dass es heute mehr Möglichkeiten gibt oder dass man sich insgesamt schneller von Dingen und Menschen ab- und sich Neuem zuwendet.
CW Eure Generation erscheint mir manchmal, auch in ihrer Literatur, etwas bindungsschwach. Da gibt es eine gewisse Scheu, Verantwortung zu übernehmen. Vielleicht hängt damit auch die Kinderarmut zusammen. Wenn ein Kind da wäre, müsste man Verantwortung für ein Leben übernehmen, sich sorgen.
Mein Großvater ruft zum Essen. Wir ziehen in die Küche um. Es gibt eine Leberknödelsuppe, eine Spezialität meines Großvaters. Er ist ein wunderbarer Koch. Wir reden beim Abendbrot weiter.
JS Ich bin 35 . Ihr habt damals viel früher Kinder gekriegt. Und eure Tochter Annette hat mich sogar schon mit 20 bekommen.
CW Ich kann mich nicht erinnern, dass uns das irgendwie geschockt hätte.
GW Sie wollte es auch unbedingt.
Wir essen schweigend. Es schmeckt wie immer sehr gut.
CW Wenn Frank unterwegs ist und du allein bist, kochst du dir dann eigentlich irgendwas?
JS Nö. Ich gehe draußen essen mit Freunden.
CW Aber einmal am Tag was Warmes ist schön!
JS Ihr hattet auch immer jemanden, der euch im Haushalt geholfen hat!
CW Zeitweise nur mittwochs. Als wir in Halle wohnten, hatten wir eine Frau, die kam vier Tage in der Woche und hat auch gekocht. Damals konnten wir selbst noch nicht gut kochen.
JS Da wart ihr sicher die Ausnahme. Ich dachte, Hauspersonal sei mit der DDR -Politik nicht vereinbar gewesen.
GW Doch. Wir hatten für Annette Tante Grete und immer wieder Kinderfrauen, sie schliefen zum Teil auch bei uns. Sie waren richtig angestellt und bekamen volle Verpflegung.
JS Ihr habt alle Kinder und Enkel während der Ausbildung unterstützt. Habt ihr von euren Eltern auch Geld bekommen?
CW Die hatten nichts.
GW Wenn sie welches gehabt hätten, hätten sie uns vermutlich etwas gegeben. Weil wir keine Arbeiterkinder waren, bekamen wir im Studium auch kein Stipendium, sondern nur Studienbeihilfe und eine Leistungszulage, wenn wir sehr gut waren. Das war nicht viel. Ich habe auch mal Gemüse geklaut. Als ich beim Rundfunk anfing, kauften wir uns das erste Radio.
CW Und als ich einen kleinen Literaturpreis bekam, kauften wir den ersten Teppich.
JS Lustig, ich habe mir von dem Geld eines Journalistenpreises einmal ein Sofa gekauft.
GW Den Schreibtisch in meinem Arbeitszimmer haben wir bei Hellerau gefunden. Dort gab es relativ schöne Möbel. Tinka amüsiert sich immer darüber, dass wir diese ollen Schränkchen noch haben. Annette vermachten wir den runden Eckschrank.
JS Ach, den habe ich jetzt, der steht in unserem Gästezimmer. Das ist ein richtiges Familienstück!
GW Als wir anfingen, für den Film zu arbeiten, verdienten wir zum ersten Mal richtig Geld.
CW (zu JS ) Wie geht es denn deinen Filmprojekten 117 ?
JS Ich sage lieber nichts mehr. Ich hoffe, dass ich die Premieren noch erleben werde.
CW Damals kam auch nicht jeder Stoff in die Produktion.
GW Aber wenn wir ein Szenarium geschrieben hatten, wurde das anständig bezahlt, 10 000 Mark auf die Hand …
CW … da war praktisch der Trabant drin.
GW Als ich den Führerschein machte, meinte der Fahrlehrer zu mir: »Sie können wohl rechts und links nicht voneinander unterscheiden. Waren Sie nicht bei der Wehrmacht?« Da hielt ich am Straßenrand an und verabschiedete mich.
JS Du bist früher auch Auto gefahren, Oma. Daran kann ich mich noch erinnern.
GW Christa
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