Sei gut zu dir, wir brauchen dich
finanzielle Erfolge und das Lob der Branche, denn schließlich schrieben
seine |222| Firmen wieder schwarze Zahlen. Er erhielt den Ruf eines »Firmenretters«, eine Bezeichnung, die er liebte. Sie gab ihm das
Gefühl, etwas bewegen zu können, jung und lebendig zu sein. Doch nach wenigen Jahren schrumpften seine Erfolge. Nicht alle
Firmen kamen wieder hoch; einige blieben trotz seines Engagements auf der Strecke. Chris schoss immer mehr Kapital in die
kriselnden Betriebe und machte auch vor seinem privaten Vermögen nicht Halt. Bis nichts mehr da war und er, der eigentlich
Firmenpleiten verhindern wollte, selbst pleite war. Chris, der kluge Rechner, musste sich eingestehen, Geld zum Fenster hinausgeworfen
zu haben. Er, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, das Scheitern anderer zu verhindern, war selbst gescheitert. Eine Erfahrung,
die zwar die Führungskräfte seiner geretteten Firmen kannten, er aber noch nicht. Das Bild, das man von ihm gemalt hatte und
dem er weiter zu entsprechen suchte, brach für ihn zusammen. Schamgefühle gegenüber der Familie befielen ihn, Ängste vor der
Schmach und Häme sowie das für ihn niederschmetternde Gefühl, Fehler gemacht zu haben. Er verschloss sich der Außenwelt, hörte
seine Freunde nicht mehr, die ihm helfen wollten, verstand seine Frau nicht mehr, die ihm ständig versicherte, dass sie ihn
liebe und dass es irgendwie weitergehe. Er beharrte darauf, ein Versager zu sein und glaubte, keine Daseinsberechtigung mehr
zu haben. Erst nach seinem Selbstmordversuch wollte er sich helfen lassen.
Sollten Sie je einen Absturz dieser Art erleben, erlauben Sie sich unbedingt, das Bild loszulassen, das Sie von sich hatten.
Tauschen Sie Ihre bisherige Rolle gegen eine andere ein: Aus dem Starken darf auch mal ein Schwacher werden. Aus dem Lehrer
ein Schüler. Aus dem allseits Korrekten einer, der Fehler macht. Aus dem wohlhabenden Menschen ein Sozialhilfeempfänger. Aus
dem Retter einer, der sich retten lässt.
Denn es ist lediglich eine Vorstellung, die da platzt, ein Gedankengebilde, eine gedachte Wertigkeit dessen, was und wer Sie
sind. Dafür alles aufs Spiel zu setzen, ist gefährlich und unnötig. Denn in |223| einem solchen Moment geht es darum, sich nicht mehr daran zu klammern, was Sie einmal waren. Was zählt, ist, was Sie noch
alles sein können. Entwickeln Sie eine neue Vorstellung von sich selbst – wenn auch nur vorübergehend. Sobald Sie sich wieder
aufgerichtet haben, können Sie ja in die Rolle zurückkehren, die Sie am liebsten spielen.
In der Zwischenzeit können Sie einfach Sie selbst sein. Der Partner Ihres Partners. Der Vater oder die Mutter Ihrer Kinder.
Der Freund oder die Freundin. Der Fachkundige, der Sie immer waren. Denn das und noch viel mehr hat sich nicht einfach in
Luft aufgelöst. Sie haben nichts von alledem verloren. Sie haben vielleicht etwas gewagt und zu viel riskiert – aber wer nichts
wagt, lebt nicht.
Werden Sie jedes Mal gescheiter
Es gibt niemanden, der nicht schon Niederlagen hätte einstecken müssen: Ob man von seinem Schwarm abgewiesen wird oder das
Abitur verpatzt, ob die Ehe in die Brüche geht oder man das Studium abbricht. Ganz gleich, ob kleine Zurückweisungen oder
jähe Bauchlandungen – wir müssen erkennen: Missgriffe und Misserfolge gehören zum Leben und sind nicht vermeidbar, denn jeder
scheitert irgendwann einmal an irgendetwas.
Allerdings versteht es nicht jeder, Gewinn aus solchen Situationen zu ziehen. Denn dazu gehört außer der Bereitschaft, seine
alte Rolle für eine Weile aufzugeben, auch die Fähigkeit, die Geschehnisse zu reflektieren. Jedes Scheitern bietet Ansatzpunkte,
etwas für sich daraus zu lernen, und wenn es nur die Erkenntnis ist, dass man falsch vorgegangen ist und wie es beim nächsten
Mal besser klappen könnte.
Dazu müssen wir uns allerdings die Mühe machen, die Situation genau zu analysieren: Welche Widerstände haben mich aus der
Bahn geworfen? War es einzig und allein das Unvorhersehbare, das mich |224| scheitern ließ? Oder war auch meine Denkweise das Problem? Ging ich zu unvorsichtig oder halbherzig an die Sache heran? Liegen
die Gründe vielleicht dazwischen, haben sich mir zugleich äußere Faktoren in den Weg gestellt, und habe ich mir selbst Fallen
gebaut?
Manch einer mag eine solche Analyse scheuen und sich nach einer Niederlage lieber lange im Selbstmitleid suhlen, denn solche
Fragen entlarven genau, wodurch man sich
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