Sei lieb und büße - Thriller
legt das Büchlein so vorsichtig neben sich, als wäre es eine jahrtausendalte Mingvase. »Und jetzt?«, flüstert sie.
»Ich weiß es nicht. Ich hatte gehofft, ich könnte auf deinem Computer etwas sicherstellen, was ich gegen Tabea verwenden kann. Aber sie hat es bereits gelöscht. Ich kann genau nachvollziehen, wann das Spionageprogramm installiert und deinstalliert wurde, und ich sehe hier sogar, wann darüber auf deine Webcam zugegriffen worden ist. Aber weil das Programm nicht über eine IP-Adresse heruntergeladen, sondern direkt aufgespielt wurde, haben wir nichts gegen sie in der Hand.«
Sina schnipst verärgert mit den Fingern. Das Spionageprogramm. Es ist wirklich von Tabea. Deshalb wollte sie heute unbedingt an den Rechner. Und du hast ihr freien Zugang gegeben! »Du denkst also auch, dass Tabea hinter Cruella steckt.«
»Liegt nahe.«
»Aber wir können es nicht beweisen.«
»Korrekt.« Max fährt Sinas Laptop herunter. »Cruellas Facebook-Account gibt es schon lange nicht mehr. Das war das Erste, was ich nach der Lektüre von Mias Tagebuch überprüft habe.«
»Wie ist Rik dann auf Cruella gekommen?«
»Wenn ich das wüsste, wüsste ich auch, wie wir an sie rankommen.«
»Meinst du, er hat Tabea einfach angesprochen?« Sina schlingt ihre Arme um die Knie und lehnt sich gegen das Kopfende ihres Betts.
»Vielleicht. Aber sie wird nicht reagiert haben. Wenn er sicher gewesen wäre, dass er sich mit Tabea trifft, hätte er auf seiner Notiz auch von ihr gesprochen und nicht von Cruella.«
Schweigen breitet sich zwischen ihnen aus. Sina schaukelt mit angezogenen Beinen vor und zurück, als säße sie auf einer Wippe, während Max den Stuhl abwechselnd mehrere Zentimeter nach rechts und links dreht, als probe er einen rhythmischen Hüfttanz.
»Und Bessy?«, fragt Sina schließlich. »Was ist ihre Rolle? Sie ist mit Tabea befreundet.«
»Das ist eine meiner Hauptfragen.« Max stoppt seinen Hüfttanz. »Ich glaube, dass sie sich ziemlich schuldig gefühlt haben muss, nachdem sie festgestellt hat, was sie angerichtet hat. Das würde für mich auch die Freundschaft der drei erklären. Laureen und Bessy – das ist eine Institution in Kranbach. Da hat keine dritte Person Platz. Dass sie Tabea in ihrem Kreis dulden, muss einen triftigen Grund haben. Und der wäre bei dieser Sachlage meines Erachtens gegeben.«
»Und Céline? Warum hat sie Rik das Tagebuch gegeben?«
Max steht auf. »Ich tippe auf schlechtes Gewissen. Das lässt viele Menschen irgendwann nicht mehr schlafen. Aber … du kennst sie besser. Du könntest sie fragen.«
»Sie wird nicht mit mir reden.«
»Wer weiß? Wenn sie merkt, dass du ins selbe Lager gewechselt hast.«
»Das ist es also, was wir tun sollen? Céline ins Boot holen?« Sina löst ihre Hände von den Knien und setzt sich auf die Bettkante. »Wenn wir mit dem Tagebuch zur Polizei wollen, wird sie nie im Leben zustimmen.«
»Stimmt … Mist, daran habe ich nicht gedacht. Also gut, streich Céline.« Wiederholt wechselt Max von einem Fuß zum anderen, als sei er unschlüssig, was er als Nächstes tun soll. »Das Vernünftigste wäre tatsächlich, die Polizei einzuschalten. Wobei ich mir nicht viel davon verspreche. Aber versuchen können wir es – bevor Tabea dich auch noch fertigmacht.«
»Ich könnte Laureen um Hilfe bitten. Sie hat mich gestern vor Tabea gewarnt. Ich glaube, ich kann ihr trauen. Außerdem hat sie meine Lederjacke gerettet. Inzwischen würde ich mich nicht wundern, wenn nicht Céline, sondern Tabea die Jacke damals so versaut hat.«
»Dann in dieser Reihenfolge. Erst die Polizei, dann Laureen.«
Sinas Blick bleibt an Max’ Schuhen hängen. Die Bewegung der Beine ist so gleichmäßig wie ein Metronom. Links. Rechts. Links. Rechts. Als könne er nicht still stehen.
»Bist du nervös?«
»Es ist spät. Ich denke, deine Mutter wäre nicht sehr erfreut, mich nach Mitternacht in deinem Zimmer anzutreffen.«
»Das stimmt. Aber sie würde dich nicht sehen, weil sie gerade nur sich selbst sieht. Sich und ein dunkles Loch, das sie zu verschlingen droht.« Wie gebannt heftet sie den Blick auf seine Schuhe. Halbschuhe. Schwarzes Leder, vorn spitz zulaufend mit einem eingestanzten Muster. Rik hätte solche Schuhe nie getragen.
»Also dann –«
»Ich kann nicht schlafen.« Das Muster seiner Schuhe verdoppelt sich. »Ich … ich möchte jetzt nicht allein sein. Du … könntest noch hierbleiben. Wir könnten reden. Über Musik. Oder dich. Oder …«
Sie
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