Sei lieb und büße - Thriller
folgt Laureen.
»Sie hat einen Bühnenpartner.« Laureen kichert. »Ich bin mir sicher, den hätte sie gerne auch für mehr.«
»Und was kann ich tun?«
Statt einer Antwort sperrt Laureen die oberste Schublade des weißen Lacktischs auf. »Hingehen und gezielt klatschen.«
Sie wedelt mit einer Eintrittskarte in der Luft. »Das ist ein Wettbewerb und je mehr Leute für sie klatschen, desto eher kommt sie in die nächste Runde.«
»Okay. Gern.« Sina nimmt die Karte. »Da–«
Das Wort bleibt ihr in der Kehle stecken wie ein Korken im Flaschenhals. Ihre Kette. In Laureens weißem Papierkorb. Weggeschmissen, als wäre sie nicht mehr wert als die darunterliegenden Schokopapiere. Laureen folgt ihrem Blick. Greift mit spitzen Fingern in den Abfalleimer und fischt die Kette heraus.
»Wahnsinn!« Völlig entnervt schüttelt sie den Kopf. »Ich werde noch irre hier! Und du denkst, deine Mutter hat sie nicht mehr alle …«
»Gefällt dir die Kette doch nicht?«, presst Sina hervor.
»Natürlich! Das war meine Mutter. Sobald hier was rumliegt, landet es im Müll. Egal, was. Sie ist der Meinung, wenn etwas nicht wertvoll genug ist, um es aufzuräumen, dann braucht man es auch nicht. Da macht sie vor nichts halt.« Laureen legt die Lederkette auf die Tischplatte.
»Ist es deshalb so ordentlich hier?«
»Ja, Schlaubi. Oder glaubst du, ich verbringe Tag und Nacht mit Putzen? Das überlasse ich schön meiner Mutter und ihrer Perle.«
Als wäre es ein anderer Raum, sieht Sina sich erneut in Laureens Zimmer um. Plötzlich erscheint es ihr gar nicht mehr so glamourös und unschuldig. Eher kalt und steril. Selbst der knallrote Sitzsack kann nichts dagegen ausrichten. Wie gemütlich ihr eigenes Zimmer dagegen ist. Klein. Vielleicht zu klein. Aber nie würde sie es gegen Laureens weiße Zimmerflucht eintauschen wollen.
Als könne Laureen ihre Gedanken lesen, schnippt sie mit dem Finger an die Eintrittskarte in Sinas Hand. »Also kommst du?«
»Klar.«
»Bessy und ihr Bruder gehen auch mit. Lass ja deine Finger von ihm. Bessy versteht keinen Spaß, wenn es um ihren Bruder geht. Aber was rede ich – du bist eh in Rik verknallt.«
»Ist das der Bruder, der Biochemie studiert?«
»Ja. In ein paar Jahren entdeckt er wahrscheinlich ein revolutionäres Genom oder irgend so eine eklige Bazille, die die Welt rettet. Die ganze Familie besteht nur aus Überfliegern. Eigentlich widerlich.« Laureen grinst. »Wenn Bessy nicht meine beste Freundin wäre, würde ich sie wohl inbrünstig hassen. Aber davon mal ganz abgesehen, zaubert er die genialsten Kräuterpastillen, die es je gegeben hat.«
Sie zieht eine andere Schublade auf und holt eine pastellfarbene Bonbonschachtel hervor. »Hier, probier mal. Lindenblüten, Brennnessel, Wachholder und Ginseng. Zaubert Müdigkeit weg wie zehn Liter Kaffee. Genial.«
»Jetzt bin ich aber neugierig!« Mit Daumen und Zeigefinger pickt Sina eine Pastille aus der Dose und steckt sie in den Mund. »Mmmh. Erfrischend.«
»Du wirst nicht enttäuscht sein. Und Tabea freut sich, wenn du kommst. Damit tust du ihr einen echten Gefallen.«
Gefallen? Wenn Laureen wüsste! Zusammen mit Laureen und Bessy ins Improtheater! Ihre erste Verabredung, seit sie in Kranbach wohnt. Zugegeben, die ersten zwei Monate hat sie fast jeden Freitag die Flucht nach Berlin angetreten. Aber die letzten zwölf Wochen, seit Beginn der Wettkampfsaison, hat sie sich Wochenende um Wochenende mit ihren Eltern durchs Fernsehprogramm gequält.
Sie zuckt zusammen. Eltern. Mama. Unauffällig schielt sie auf ihre Uhr. Der Termin beim Lehner ist schon längst vorbei. Falls ihre Mutter dort gewesen ist. Kein Anruf. Keine SMS. Ein gutes Zeichen. Wahrscheinlich hat sie sich nach dem Auftritt gestern den Weg in die Schule gespart.
»Bin gespannt, was du zu Tabeas Partner sagst. Sie sucht sich ja immer Typen, die für sie zu gut aussehen. In Rik war sie auch ewig verknallt.«
»Das hat sie mal erwähnt. Und er?«
»Na ja, verliebt sicher nicht, aber er hat nichts anbrennen lassen. Wenn sich eine Gelegenheit geboten hat …«
»Also hat Tabea mit ihm –«
»Nein, ich sag’s mal so. Als Tabea dran gewesen wäre, hat Mia diesen Riesenaufstand wegen des blöden Nacktfotos gemacht und dann ist alles eskaliert. Bessy und Tabea sind aus der Mannschaft geflogen und Tabea ist noch mal davongekommen.«
Davongekommen. Wie das klingt. Als ob sie dem Tod von der Schippe gesprungen wäre. Plötzlich stutzt sie. »Willst du damit sagen, dass
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