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Sei lieb und büße - Thriller

Sei lieb und büße - Thriller

Titel: Sei lieb und büße - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loewe
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»Mama!«
    Keine Reaktion.
    »Mama!« Sina stupst sie an.
    »Hrrmm.«
    »Ben kommt zu spät und ich auch. Wir brauchen eine Entschuldigung.«
    »Hrrmm.« Endlich hebt sie die linke Hand ein wenig in die Höhe, lässt sie jedoch sogleich kraftlos zurück auf das Laken fallen.
    »Na super.«
    Fluchend verlässt Sina das Schlafzimmer und läuft zu Ben. »Gehen wir. Du darfst heute mit dem Rad fahren.«
    »Echt?« Bens Augen leuchten.
    »Ja. Ich begleite dich und hole dich nach der Schule ab. Du fährst nicht ohne mich, verstanden?«
    »Ja-ha.« Er klemmt seinen Helm unter den Arm und rast die Treppe hinunter. Im Hof schließt er die Fahrräder auf. »Geht’s dir wirklich gut?«
    »Ja, alles in Ordnung.«
    »Aber du hast den Wecker nicht gehört.«
    »So was kann vorkommen, Doofi.«
    »Bei Mama. Aber doch nicht bei dir!«
    »Nerv mich nicht!« Sina steigt auf und tritt in die Pedale. »Komm schon, wir müssen uns beeilen.«
    »Aber –«
    »Ich hab schlecht geschlafen.«
    »Aber –«
    In Rekordzeit erreicht Sina das Ende der Straße. »Ben! Mit mir ist alles in Ordnung. Rik ist gestern gestorben und das hat mich mitgenommen, okay? Ich werde nicht wie Mama. Versprochen.«
    Ich werde nicht wie Mama. Ben kann sie beruhigen. Ben würde ihr allein schon deshalb glauben, weil er es unbedingt glauben wollte. Aber sie selbst? Woher will sie wissen, dass sie nicht die gleiche Krankheit entwickelt? Es wird vererbt. Von Mutter zu Tochter. Kann vererbt werden. Muss nicht. Es wird nicht passieren. Sie ist nicht wie ihre Mutter. Das mit den Schlaftabletten war ein Ausrutscher. Wegen Rik. Wegen seines Todes.
    Sein Tod.
    So unwirklich.
    So schrecklich.
    So wahr.
    Warum musste er sterben?
    Warum durfte sie ihn nur zwei Mal küssen?
    Warum?
    Sie schluckt die Tränen hinunter, die sich den Weg zu ihren Augen bahnen. Nicht heulen. Nicht vor Ben. Es würde ihn erschrecken. Am Ende der Straße erscheint das Schulgebäude. Ben tritt kräftiger in die Pedale und erreicht das Schultor vor Sina.
    »Lauf rein«, ruft sie, »ich sperr ab!«
    Sina lehnt ihr Rad an einen Laternenpfosten und kettet Bens Rad an den fast bis auf den letzten Platz besetzten Fahrradständer. Wie schade. Das erste Mal, dass er mit dem Fahrrad in die Schule fahren durfte. Seit Monaten freut er sich darauf und jetzt hat sie ihn den ganzen Morgen nur angemault. Wenn das nicht nach einem fetten Eis schrie. Zwei Kugeln mit Sahne. Auch ohne Max’ Verhandlungskünste.
    »Wo kommst du jetzt her?« Kaum hat Sina die Halle betreten, tritt Tabea neben sie und zieht sie mit sich. Sie klingt besorgt.
    »Die Zenger hat ’ne Kurzarbeit geschrieben. Über die Brontë-Schwestern. Wenn du keine Entschuldigung bringst, werden das schon wieder null Punkte.«
    »Oooh Mann!«, stöhnt Sina. »Was ist nur los? Warten die, bis ich fehle, und ziehen dann die Kurzarbeiten raus? Aber diesmal krieg ich eine Entschuldigung. Ich konnte nicht einschlafen, weil die mir gestern im Krankenhaus irgendwelches komisches Zeug verabreicht haben. Und mit den Schlaftabletten habe ich dann offenbar zu fest geschlafen.«
    »Schlaftabletten? Krankenhaus? Hab ich was verpasst?«
    »Wegen Rik.« Sina kneift die Augen zusammen und verdrängt die Tränen, die sogleich aufsteigen. »Als ich es erfahren habe, bin ich umgekippt.«
    »Wie? Was erfahren? Du wusstest doch, dass er aufgewacht ist.« Tabea schaut sie so verständnislos an, als rede sie Russisch.
    »Weißt du es noch gar nicht?«
    »Sina! Was?«
    »Rik ist … tot.« Sie blinzelt erneut, doch diesmal kann sie die Tränen nicht zurückhalten.
    Als hätte jemand einen Schalter umgelegt, wechselt Tabeas Gesichtsfarbe. »Tot?«, flüstert sie. »Rik ist tot? Warum?«
    »Das wird noch untersucht. Bist du okay? Du bist total blass.« Erschrocken packt Sina Tabea am Arm. »Setz dich lieber hin, bevor du umkippst.«
    »E geh scho…« Die Wörter kommen als Krächzen aus Tabeas Hals. Sie räuspert sich. »Geht schon.«
    Der Gong zur nächsten Stunde hallt durch das Gebäude.
    Tabea räuspert sich noch einmal. »Wir müssen los. Die Berg ist immer pünktlich.«
    Das Leben geht einfach weiter.
    Rik ist tot und die Zenger schreibt eine Kurzarbeit.
    Herr Ebert fragt Laureen in Bio aus und erwischt sie blank. Bessy versucht, ihr die Antwort zuzuflüstern, und kassiert eine Verwarnung.
    Lars stolpert auf dem Weg zur Tafel über Alexanders Rucksack.
    Und die Klasse lacht.
    Lacht.
    Sogar sie selbst.
    Weil es sie freut, dass es Lars erwischt hat. Ein winziges Stück Rache

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