Sei lieb und büße - Thriller
lindert unseren Schmerz.«
Der Laptop wackelt auf ihren Knien hin und her. Sina zieht ein Knie näher zu sich und lehnt sich mit dem Rücken gegen das hölzerne Kopfende ihres Betts. Das Wackeln bleibt gleich. Sie lockert den Schneidersitz und legt ein Kissen unter den Computer.
Auf Facebook geht sie zu Frederiks Seite. Verdammt. Kurz hatte recht. Bereits achtzehn Kommentare. Blitzschnell überfliegt sie die Einträge. Entsetzen über Fredriks Tod. Entsetzen über Sinas Vermutung. Verwunderung über Sinas Vermutung. Verurteilung von Sinas Vermutung.
W ie pietätlos kann ein Mensch eigentlich sein? Rik ist noch nicht unter der Erde und diese Sina wirft schon mit haltlosen Anschuldigungen um sich.
Sina liest weiter. Viola.
Habe mich auch gewundert. Selbst wenn da was seltsam ist, woher will sie das wissen? Ich fand’s ja super, dass sie sich so kümmert, aber das geht mir jetzt zu weit. Das ist doch Sache der Kripo.
Sina schluckt. Ja, das hat Kurz ihr deutlich klargemacht.
Wer weiß, für wen oder was diese Sina sich hält … Crashwoman, Rächerin der Verunfallten? So viel Scheiße, wie die im Kopf hat, sollte man sie Shitwoman nennen.
Super. Noch sieben Kommentare. Wenn ihr Posting schon solche Reaktionen hervorruft, was passiert dann erst, wenn sie ihre Aussage widerruft? Sie liest weiter. Entwarnung.
Drei Kommentare, die sich nur auf Riks Tod beziehen. Dann ein Kommentar von BabyG.
Ihr wollt wissen, wer Sina ist? Kommt auf meine Seite, da lernt ihr sie besser kennen.
Befremdet klickt Sina auf BabyGs Profilfoto, ein Puppenavatar. Doch auf BabyGs Seite kann sie nichts einsehen. Inhalte nur für Freunde. Sina klickt auf »Freundschaftsanfrage senden« und schreibt als Bemerkung: Hallo, BabyG, was weißt du von mir, was du anderen über mich erzählen kannst? Hör sofort auf damit! Sie schickt die Anfrage ab und geht zurück auf Frederiks Seite. Ohne die letzten vier Kommentare zu lesen, erstellt sie einen neuen Eintrag.
Tut mir leid, wenn ich durch meine Aussage Gefühle verletzt habe. Ich ziehe sie hiermit zurück. Ich hatte starke Beruhigungsmittel bekommen und nicht darüber nachgedacht, was ich geschrieben habe. Ich habe keinerlei Beweise, dass Riks Tod oder Unfall von einer anderen Person herbeigeführt wurde. Und selbst wenn es so wäre, wäre es, wie Viola ganz richtig sagt, Sache der Polizei.
Sina schickt den Eintrag ab und verlässt Frederiks Profil. Hoffentlich wird es bald gelöscht. Auf sein Foto zu klicken und seine Seite zu besuchen ist so furchtbar real. Als würde er noch leben. Als wäre er nur ein paar Tage im Urlaub. Oder im Trainingslager. Das macht alles noch schlimmer.
»So, Liebes, der Tee. Hat etwas länger gedauert, entschuldige.« Ihre Mutter tritt ins Zimmer und stellt eine dampfende Tasse auf Sinas Nachttisch ab.
Sina klappt den Laptop zu.
»Du bist immer noch so bleich. Das sind sicher die Nachwirkungen von dieser Chemie, die sie in dich hineingespritzt haben. Die sollte man wirklich verklagen.« Ihre Mutter setzt sich zu Sina auf die Bettkante. Nimmt den Laptop vom Kissen und das Kissen von den Knien. »Du solltest etwas schlafen. Schlaf ist die beste Medizin, sagt deine Oma immer, und sie hat recht.«
Unfähig, ein Wort zu sagen, nickt Sina, rutscht fügsam mit dem Po nach unten und legt ihren Kopf auf das Kissen, das ihre Mutter für sie aufschüttelt.
»Wenn es dir morgen nicht besser geht, bleibst du gleich zu Hause. Ein Todesfall ist nun mal keine Lappalie. Vor allem, wenn es der eigene Freund ist.«
»Du weißt …?«, fragt Sina, ohne ihre Mutter anzusehen.
»Aber Schätzchen. Ich bin deine Mutter. Natürlich weiß ich, in wen du verliebt bist. Ein hübscher junger Mann. Dein Vater hat ihn auch gemocht. Das ist alles so traurig.«
Sina rollt sich zusammen und presst den Kopf in ihr Kissen. Die Hand ihrer Mutter gleitet sanft über ihre Haare. Sie hört ihre Stimme, ruhig und monoton, doch die Bedeutung der Worte verschwimmt in einem rauschenden Silbenmeer. Sie wünscht sich, dass ihre Mutter bleiben möge, mit ihrer Hand weiter über ihren Kopf streicht, dass ihre Stimme sie einlullt und die Gedanken an BabyG und Frederik fortspült wie ein Regenschauer den Schmutz von der Straße.
49
Sie sind zu weit gegangen. Endgültig zu weit. Ich habe ihnen gesagt, sie sollen ihn in Ruhe lassen. Wir wollten ihm eine Lehre erteilen. Ihn auf seinen Platz verweisen und dazu bringen, von seinen Nachforschungen abzulassen. Aber wir wollten ihn doch nicht umbringen!
Ich
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