Sei lieb und büße - Thriller
für seinen Kommentar über den Ausraster ihrer Mutter. Soll er sehen, wie fies es ist, wenn andere über einen lachen.
Dabei ist ihr nicht zum Lachen zumute. Egal, was sie tut, ihre Gedanken wandern zu Rik. Wenn sie ihn nur noch ein Mal sehen könnte. Ein Mal sprechen. Ein Mal berühren. Sie war die letzte Besucherin. Hätte sie sich doch wenigstens verabschiedet …
»Sina Beckhaus, bitte ins Sekretariat.«
Die Durchsage schmettert metallen durch das Klassenzimmer. Ohne nachzudenken, steht Sina auf und begegnet den fragenden Blicken von Tabea und Laureen. Sie zuckt mit den Schultern. Mama? Weshalb sonst sollte sie mitten während des Unterrichts ins Sekretariat zitiert werden? Ihre Knie zittern. Eilig verlässt sie das Klassenzimmer und rennt zum Sekretariat. Beim Hineinstürmen rempelt sie gegen einen kräftigen Mann in grünem Cordsakko.
»Entschuldigung.« Sie stützt die Arme am Tresen auf, hinter dem die Sekretärinnen sitzen. »Ich bin Sina Beckhaus.«
»Der Herr möchte dich sprechen«, sagt die Sekretärin und zeigt auf den Mann mit dem Cordsakko. »Er ist von der Kripo.«
Kripo! Also hat sie tatsächlich recht mit ihrer Vermutung. Riks Tod hatte keine natürliche Ursache.
Der Mann hält ihr die Hand hin. »Kurz ist mein Name.«
»Sina Beckhaus. Sie sind wegen Frederik Lofer hier, nicht wahr?«
»Gewissermaßen.« Er zeigt auf den Durchgang zum Besprechungszimmer. »Kommen Sie bitte mit.«
In dem winzigen Raum setzt er sich an einen kleinen Tisch und bedeutet ihr, ihm gegenüber Platz zu nehmen.
»Können Sie mir sagen, wie Sie zu Frederik Lofer stehen?«
»Er war mein …« Sina zögert. Spürt, wie sie errötet. »Ein Freund.«
»Ein Freund oder Ihr Freund?«
Nervös streift sie mit den Händen über die Jeans. Ein Freund oder mein Freund? Rik! Was warst du?
»Ist das eine so schwere Frage?«, beendet Kurz ihr Schweigen.
»Wir haben uns zweimal geküsst.«
»Also Ihr Freund.«
Sina nickt. So einfach kann das sein.
»Seit wann?«
»Samstag, dem zweiten Juni. An dem Tag haben wir uns das erste Mal geküsst. Und dann haben wir uns für den folgenden Dienstagabend verabredet. Aber da hatte er den Unfall.«
»Von dem Sie annehmen, dass es kein Unfall war.«
Hitze steigt in ihr auf. Er muss ihren Facebook-Eintrag gelesen haben. Ist er deswegen hier?
»Ja«, bestätigt sie leise. »Ich denke, den hat jemand bewusst verursacht.«
»Und wie kommen Sie darauf?« Wie von Zauberhand liegt plötzlich ein Notizblock vor ihm.
»Na ja, er wollte jemanden treffen und danach zu mir kommen. Er ist aber nie aufgetaucht.«
Der Stift bohrt sich in das Papier. »Wen er treffen wollte, wissen Sie nicht zufällig?«
»Nein.« Sinas Hände gleiten erneut über die Jeans, doch die Handflächen wollen nicht trocken werden. »Es ging um was Krasses.«
»Mehr wissen Sie nicht?« Er mustert sie. Graue Augen. Was für eine seltsame Farbe.
»Nein. Zumindest hat Rik mir nicht mehr gesagt. Aber das ist doch ein seltsamer Zufall, finden Sie nicht?«
Mit einem »Hmm« legt Kurz den Stift zur Seite. »Das ist vor allem etwas dünn.«
»Ich –«
»Ich sehe den Fall so, Fräulein Beckhaus: Vielleicht hat Frederik sich mit jemandem getroffen, vielleicht auch nicht. Das sind alles nur Spekulationen. Fest steht nur: Er hat die Kurve zu schnell genommen. Wir haben die Unfallstelle und sein Rad genau untersucht. Es ist definitiv kein Zweitfahrzeug involviert gewesen. Falls also eine weitere Person bei ihm gewesen sein sollte: Wie soll diese Person das angestellt haben? Sie wird kaum neben Herrn Lofer hergelaufen sein.«
»Vielleicht war die andere Person auch mit dem Rad unterwegs.«
»Wie soll das denn funktionieren? Stellen Sie sich vor, Sie fahren mit hohem Tempo eine kurvenreiche Straße hinunter, müssen einen trainierten Sportler überholen und ihn dann vom Rad stoßen, ohne dass Sie selbst zu Fall kommen oder Spuren hinterlassen.« Kurz schüttelt entschieden den Kopf.
»Aber Rik ist andauernd Rad gefahren. Er kannte die Strecke.«
»Und genau das macht es gefährlich. Wenn man sich zu sicher ist, wird man leicht unvorsichtig und es passieren Unfälle. Ganz besonders auf den Strecken, die man wie seine Westentasche kennt.«
»Ganz sicher?«, fragt Sina nach. »Nur ein Unfall? Wie ist er denn passiert?«
»So wie dumme, unnötige Unfälle eben passieren.«
»Und deswegen sind Sie hier? Um mir das zu sagen?«
»Nein. Ich möchte wissen, wie Sie auf die Idee kommen, dass wir Frederiks Leiche obduzieren
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