Sei lieb und büße - Thriller
unten ist.
Nein, erst lesen, was alles geschrieben wurde. Genau lesen. Jetzt, da sie weiß, wer hinter BabyG steckt, findet sie vielleicht weitere Hinweise auf Gabriele. Hinweise, die eindeutig sind. Diese fiese, hinterhältige, blöde Kuh!
Sina zieht den Laptop wieder auf ihre Knie. Liest die Bildunterschrift des Fotos. Wem wohl dieser (un-)appetitliche Hintern gehört? Man beachte die Pickel auf der rechten Seite. Was das wohl zu sagen hat?
Darunter Kommentare, verhöhnend, gemein, banal, dumm und doch so explosiv wie Dumdumgeschosse.
Sina knirscht mit den Zähnen, scrollt mit vor Wut zitternden Fingern nach unten und spürt, wie das Blut aus ihrem Gesicht weicht.
Die Auflösung.
Ihr Gesicht.
Genauer ihre rechte Gesichtshälfte, in Großaufnahme. Zoom auf drei kleine Pickel am Kinn. Dazu die Bildunterschrift: Na, wenn das nicht unsere Sina ist. Ob das der neue Trend wird? So trägt man seine Pickel heute: synchron im Gesicht und am Hintern …
Darunter eine Ganzkörperaufnahme von ihr. Verzerrt. Gestaucht. Sie ist noch kleiner als sonst. Fast quadratisch. Klein und dick. Dann die Unterschrift: Glaubt ihr wirklich, Rik hätte sich so eine als Freundin ausgesucht? Gefolgt von einer Reihe Kommentaren. Sina überfliegt sie. Will sie nicht lesen. Zwingt sich. Wie können Menschen, die sie nicht kennen, nur so abwertend über sie urteilen?
Ihr ist übel.
Sie stellt den Laptop auf dem Schreibtisch ab und läuft zur Toilette. Fetter Gartenzwerg. Die sieht aus wie eine Qualle – fett und schwabbelig. Sie hebt den Deckel. Riks Freundin? Darf ich lachen? Der Arme musste erst ins Koma fallen, dass er so eine erträgt. Übergibt sich. Rik hätte die noch nicht mal im Koma angeschaut. Ist ja krass. Was soll das sein? Eine Tonne? Stellt euch die mal nackt vor. Urrrgh! Der bittere Geschmack von Galle lässt ihren Körper schaudern. Sie spült. Dann zieht sie sich aus, stellt sich unter die Dusche. Kalt. Warm. Kalt. Warm. Wie betrunken dreht sie den Hahn ab, wickelt sich in ein viel zu kleines Handtuch und putzt sich die Zähne.
Ignorieren. Der Leitspruch ihrer Mutter, wenn sie und Ben in der Schule gehänselt wurden. Ignorieren, dann wird es ihnen schnell langweilig. Aber wie soll sie es ignorieren? Das ist unmöglich! Es ist auf Facebook! Jetzt schon viermal geteilt – welche Zahl wird da erst in ein paar Stunden stehen?
In ihrem Zimmer geht sie schnurstracks zum Laptop und schreibt eine Antwort: An die widerlichen Schmierfinken, die sich wie Geier auf Fotos stürzen, die jemand heimlich und feige von mir gemacht und dann verfälscht hat: Ihr seid armselig! Peinlich, dass ihr so was nötig habt. An Gabriele: Bist das du? BabyG? Du tust mir wirklich leid. Was ist es? Neid? Hiermit offiziell: Ich war Riks letzte Freundin und ihr könnt mich alle mal.
Sie schickt die Antwort ab. Atmet tief durch. Besser. Viel besser. Laureen hat recht. Sie muss sich wehren. Erhobenen Kopfes vor die feige Meute treten. Zufrieden steht sie auf, tritt vor den Spiegel. Sie ist nicht fett. Klein. Aber nicht fett. Tonne! Absurdes Geschwätz. Sie hat keine schwabbeligen Stellen. Nirgendwo. Sie dreht sich. Lüftet das Handtuch. Sie ist nicht einmal dick. Ein Pling kündigt eine neue Nachricht an. Sie wickelt das Handtuch wieder um sich und geht zum Schreibtisch, klickt auf die Nachricht. Von Max.
Hallo, Sina, bitte lösch unbedingt dein Posting auf BabyGs Seite. Damit schadest du dir nur selbst und erreichst gar nichts. Am besten sofort, bevor es von den falschen Leuten gelesen wird. Leg dich nicht unüberlegt mit BabyG an – du kannst nur verlieren. Sie hat viel zu viele Follower, die Angst vor ihrer bösen Zunge haben. Wir müssen uns eine Strategie überlegen und dann zurückschlagen. Ich weiß, mein Verhalten dir gegenüber muss dir falsch erscheinen, aber ich hatte gute Gründe, so zu handeln, und ich würde dir das gerne in Ruhe erklären. Können wir uns treffen? Gruß Max.
Mit ihrem Posting schadet sie sich selbst? Warum will Max nicht, dass sie das schreibt? Wieder eine von seinen geheimen Theorien? Sie hat nichts als die Wahrheit geschrieben. Was soll BabyG ihr jetzt noch antun können? Was konnte schlimmer sein, als im Internet seinem Hintern zu begegnen, mit Pickeln verunziert, die nicht mal ihre sind, und als Vergleich neben das eigene Gesicht gestellt?
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19. Mai 2011, 11 Uhr
Ich weiß, ich weiß. Ich wollte jeden Tag schreiben, aber das wird nichts, zumindest nicht, bis ich die letzte Prüfung hinter mir
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