Sei mein Stern
geraten. Außerdem sind Autos der sichere Tod eurer Umwelt. Ich hasse diese Dreckschleudern und nutze sie nur im äußersten Notfall. Ihr wisst gar nicht, was ihr eurem Planeten damit antut.“
Sie starrte ihn bass erstaunt an. „Simon, du redest schon wieder, als kämst du von einem anderen Stern.“
Und in diesem Moment konnte er den Riss in seiner Fassade nicht länger kaschieren. Mit Überraschung nahm sie das heftige Flackern seines Blickes zur Notiz.
Mit fahrigen Fingern fuhr er sich durchs Haar. „Ach was! Ich habe nur manchmal das Gefühl, außer mir scheint keiner zu kapieren, dass der Untergang der Menschheit nur eine Frage der Zeit ist.“
Jana kaute nachdenklich auf ihrer Lippe herum. Was sollte sie mit diesem verbohrten Umweltschützer nur anstellen? Und was zum Geier hatte ihn gerade so aus dem Gleichgewicht gebracht? Die Sache mit seinem Magen? Okay, sie würde zusätzliches Öl ins Feuer gießen. „Wie hast du eigentlich den langen Flug von L.A. hierher überstanden?“
Erneut erweckte er den Anschein eines Kindes, das mit der Lieblingsschokolade seines Bruders im Mund ertappt wurde. „Oh, erinnere mich nicht daran!“ Abwehrend hob er eine Hand. „Das war eines der schlimmsten Erlebnisse meines Lebens. Gnädigerweise hat mir eine der Flugbegleiterinnen irgendwann Schlaftabletten verabreicht, bevor ich den restlichen Passagieren noch den letzten Nerv rauben konnte.“ Damit schien das Thema für ihn beendet, denn er spähte konzentriert die Straße entlang. „Da kommt ein Taxi. Ich halte es für dich an.“
„Nein, stopp!“, gebot Jana ihm blitzschnell Einhalt. „Ich werde dir bei deinem Spaziergang Gesellschaft leisten. Du liegst vollkommen richtig, eine kleine Abkühlung kann nichts schaden.“ Gerade eröffnete sich ihr die einmalige Chance, das Vertrauen dieses Mannes zurückzugewinnen, auch wenn ihr die dazu nötige Vorgehensweise ein flaues Gefühl im Magen verursachte.
„Du wirst dir deine Frisur ruinieren.“ Er blickte an ihr hinunter. „Und die schicken Schuhe.“
Sie zuckte betont gleichmütig mit den Schultern. „Halb so wild. Du dir deine doch auch.“
Verwunderung stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Du meinst das jetzt wirklich ernst, oder?“
„Absolut.“ Mit einer übermütigen Geste griff sie nach seiner Hand und zerrte ihn hinaus in den strömenden Regen, um der Natur zu trotzen. Na herrlich! Es schüttete wie aus Eimern. Bäh! War das widerlich! Ratzfatz waren ihre Haare durchweicht und die Wimperntusche bahnte sich in kleinen Rinnsalen ihren Weg nach unten.
Simons dunkle Locken klebten inzwischen an seinem Kopf und kringelten sich vorwitzig. Das durchnässte Hemd umhüllte verführerisch seinen muskulösen Oberkörper und ließ ihn einfach zum Anbeißen aussehen.
Und dann traute sie ihren Augen nicht.
Er schmunzelte.
Der Schalk lauerte geradezu in seinem Blick, während sich der Griff um ihre Hand verstärkte. Wie ein Boxer tänzelte er mit unendlicher Leichtigkeit um eine Pfütze in der Größe des Bodensees herum.
Ihr T-Shirt hing derweil an ihr wie ein nasser Lappen, kühlte aber herrlich die aufgeheizte Haut. Und prompt wurde sie von einer unerklärlichen Erregung erfasst. Ein Gefühl der Freude brach sich gänzlich unvorbereitet Bahn und ließ sie lauthals lachen.
Wann hatte sie jemals so die Bodenhaftung verloren? Sie konnte sich nicht erinnern. Vermutlich war sie noch ein unbedarftes Kind gewesen, als sie zum letzten Mal mit voller Absicht durch strömenden Regen gerannt war.
Und dann stimmte Simon in ihr Gequietsche ein, und während sie mit triefnassen Schuhen durch das Unwetter stolperten, wie zwei Menschen, die in der Sahara nach einer monatelangen Dürre den ersten Wassertropfen zu Gesicht bekamen, warfen sie sich vor Lachen nahezu weg.
Als sie schließlich das Hotel erreichten, waren sie durchnässt wie zwei Katzen, die in einen Tümpel gepurzelt waren, hatten aber prächtige Laune. Dass Jana nicht irgendwann in einen übermütigen Stepptanz verfallen war und „Singing in the Rain“ gegrölt hatte, kam einem Wunder gleich.
Erneut dachte sie an die Zeiten zurück, wo sie den lieben langen Tag glücklich vor sich hingesungen und -getanzt hatte. Und stellte fest, dass sie zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage diesem unbekümmerten Leben eine Nuance näher gekommen war.
Ausgelassen stürmten sie das Hotel, wo Günter beinahe einem Herzinfarkt erlag, als sie sich schüttelten wie zwei Terrier und den Marmorboden der Lobby in
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