Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)
Intelligenz vorgegebenen natürlichen Grenzen. Das Spielfeld ist zwar überschaubar klein, doch unterhalb Niveau null sind die Möglichkeiten sich auszubreiten undurchschaubar geil.
Objektiv betrachtet, statt subjektiv als Ekelpaket denunziert, ist Mario Barth der erfolgreichste deutsche Comedian. Statt seine unterirdischen Erfolge als Beleg dafür zu nehmen,
dass mehr und mehr Deutsche blöd gemacht werden und viele bereits rettungslos verblödet sind, könnten die Oberlehrer der Nation, von denen es außerhalb der Seichtgebiete ja viele gibt, an seinem Erfolg auch was ganz anderes beweisen.
Etwas völlig Überraschendes.
Etwa den Beweis erbringen, dass es Gott geben muss, und zwar den des Neuen Testaments, den gütigen. Den, der sich um alle Menschenkinder sorgt, also auch um Mario Barth. Eine gewagte These, aber eine gemein reizvolle.
Auf jeden Fall hat sie hohen Unterhaltungswert.
Wie man in einer populären Übersetzung der Heiligen Schrift nachlesen kann, sind selig die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich. So verkündet von Matthäus, dem Apostel. Damit haben die Verfasser die gemeint, die arm sind im Angesicht Gottes und von ihm alles erwarten. Hier und heute aber geht es um geistig Arme. Aber auch die sind – wer’s glaubt, wird selig – glücklich zu nennen, obwohl sie nichts dafür tun. Das begründet Matthäus mit der Botschaft: »Sehet die Vögel unter dem Himmel an! Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen, und euer himmlischer Vater nährt sie doch.« Einfach so hingeschrieben liest es sich, als ginge es dem Apostel nur um Spatzen und Meisen. Die Autoren des Buches der Bücher schrieben aber in der damals populären literarischen Mode der Gleichnisse. Nur solche der einfachen Art konnte das einfache Volk verstehen.
In biblischer Tradition, allerdings ohne den zumindest im Neuen Testament zur Pflege kleingläubiger Menschenkinder eingesetzten himmlischen Witz, beackert Mario Barth ein unterirdisches Reich. Seine Botschaft für die geistig Armen: »Sieh mich an,Volk, ich bin einer von euch; hör mich an,Volk, ich bin so wie ihr; doch dass ihr seid wie ich und dennoch für mich euer Geld ausgebt, finde ich voll geil . «
Barth muss nichts mehr säen, weil die Saat nach fünfundzwanzig Jahren Privatfernsehen längst aufgegangen ist, um in seiner Scheune, die in Berlin-Kreuzberg steht, reiche Ernte einzufahren. Gott ernährt auch ihn, also muss es Gott geben.
Beweis erbracht.
Zurück in die irdischen Seichtgebiete.
In einem seiner gnadenlos gemeinen »Briefe an die Leser«, mit denen das Magazin »Titanic« all diejenigen lächerlich macht, die es verdient haben oder an die sich sonst niemand rantraut, und damit seinen treuen Lesern jeden Monat eine große Schadenfreude bereitet, wird auch Mario Barth auf den berühmten Topf gesetzt. Und gedeckelt: »Wenn Sie, Mario Barth, [...] in einem hannoverschen Steakhouse lümmeln und erst die Bedienung, die Ihnen statt Cola zero ein Glas Cola light gebracht hat, wortreich nölend zusammenfalten; dann einem sehr höflich an Ihren Tisch tretenden Herrn den Autogrammwunsch mit dem Satz: ›Nee, nee, sicher nicht, wenn ich einmal anfange, wollen gleich alle‹ abschlagen; wenn der so Gescholtene dann freundlich darauf hinweist, dass das Autogramm aber doch für seinen Sohn sei, der für Ihren, Barth, am Abend in Hannover stattfindenden Auftritt eine Karte habe, und Sie dann den Riesenarschsatz ›Sportsfreund, wenn ich Nein sage, meine ich nicht Ja‹ sagen; wenn Sie also mit Ihrem nimmermüd Berliner Dummsabbelmaul die Hand beißen, die Sie füttert, dem derart Gedemütigten dann noch ein [...] Hohngelächter hinterhersenden und Ihre Rotte ob der gelungenen ›Pointe‹ abklatschen, dann, Barth, dürfen Sie sich gleich zweimal nicht wundern, wie sehr uns das Anagramm Ihres Namens erfreut, das wir soeben erstellt haben: Abart im Ohr. Artig:Titanic«.
Ist zwar schön nachzulesen, trifft aber den Comedian-King nicht. Weil er sowieso nicht weiß, was ein Anagramm ist. Die nach einem heiteren Intellekt klingende Berufsbezeichnung
Comedian für einen in Wahrheit nur schlicht gestrickten Spaßvogel wie Mario Barth zu übersetzen mit Komödiant, wäre beleidigend allen gegenüber, die wirkliche Komödianten waren oder sind – Peter Ustinov, Charlie Chaplin, Olli Dittrich, Lenny Bruce,Vicco von Bülow, Mathias Richling, Michael Mittermeier.
Komödianten sind von jeher melancholische Wesen, die ihre innere Traurigkeit
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