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Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)

Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)

Titel: Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Jürgs
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größere Möpse im Fernsehen betrachten. Dass die Erfinder solchen Schwachsinns, die wahrscheinlich als Beruf beim Finanzamt »Drehbuchschreiber« angeben, nicht längst verurteilt worden sind, und zwar ohne Bewährung, ein Jahr lang in einer Bahnhofsmission die Klos zu säubern, ist auch nicht wesentlich. Gott der Gerechte wird sie irgendwann erwischen, genau in dem Moment, in dem sie wieder mal nichts denken.
    Der Mutterkonzern des ausstrahlenden Senders, bei dem es ähnlich geschmackvoll zum Beispiel um Vaterschaftstests geht, was für die Zielgruppe ALG 2 abwärts ja durchaus von Nutzwert sein kann, um ihre wahren Verhältnisse und wer aus denen tatsächlich stammt, kennen zu lernen, heißt
Bertelsmann.Warum dieser dem christlichen Menschenbild verpflichtete Konzern, zu dem auch der Verlag gehört, in dem dieses Buch erschienen ist, nicht längst strafend und ohne Bewährung zu geben eingegriffen hat, ist zwar erstaunlich.
    Aber leicht erklärbar. Es geht ums Geld. Je höher die Quote, desto teurer sind die einzelnen Werbeminuten. Je jünger die Zuschauer, desto besser lassen sich die Formate verkaufen. Niemand will die richtig Alten außer bei den Abenden der Volksmusik, aber die laufen in den öffentlich-rechtlichen Sendern nach der Tageschau, wenn Werbung nicht mehr erlaubt ist. Die hohen Quoten wiederum kann man immerhin für Eigenwerbung nutzen, die heben den Durchschnitt am Monatsende. Es führt ARD knapp vor dem ZDF, danach folgen RTL, Sat.1, ProSieben, VOX, RTL 2, Kabel eins, Super RTL.
    Super RTL? Wäre das nicht der ideale Sender für alles, was mit »Super« zu tun hat? Also ein Spartenkanal für Superdeppen? Wäre das am Ende vielleicht die einzig sinnvolle Antwort auf die so oft gestellte Frage, wo denn verdammt noch mal das Positive bleibe – die aber erst im letzten Kapitel beantwortet werden soll?
    Man könnte allerdings schon mal einen Hinweis geben.
    Vor vielen Jahren gab es ein Ereignis in der Fernsehgeschichte, das die Deutschen so erschüttert hat wie keines davor und keines mehr seitdem. In allen dritten Programmen lief damals die Fernsehserie Holocaust – die Geschichte der Familie Weiss . Die Einschaltquoten lagen zwischen 32 und 41 Prozent. Bei den Westdeutschen – in der DDR konnten die dritten Programme der ARD nicht empfangen werden – zwischen vierzehn und neunundzwanzig Jahren, genau der Altersgruppe, in der heutzutage Bohlen und Klum und Co. regieren, schalteten fast siebzig Prozent jede Folge ein. Die
Geschichte von zwei Familien, eine jüdischen Glaubens, die andere nazigläubig, entfaltete mit den Stilmitteln spannender Unterhaltung, was Historiker trotz aller Aufklärung nicht geschafft hatten: nachhaltige Wirkung. Mit den Emotionen wurden fünfzehn Millionen Menschen erreicht, von denen viele für blöd gehalten worden waren, weil sie nicht wussten, was man über die Verbrechen der Deutschen hätte lesen können, oder aber nicht hatten wissen wollen, weil sie mitgemacht hatten.
    Die größte deutsche Illustrierte, der »Stern«, nutzte damals die kollektive Scham, die Erschütterung, erzeugt durch die Symbiose von Realität und Fantasie, und zeigte auf zwanzig Doppelseiten das Grauen in den KZs, Fotos des Massenmordes, Aufnahmen von Opfern und von Tätern. Überschrift: »So war es wirklich«.
    Gepredigt wurde, als die Kirche überfüllt war.
    Gute Unterhaltung weckt Bewusstsein.
    Sie muss nicht so blöd sein, wie sie gemacht wird.

KAPITEL III
    Menschenversammler
     
     
     
     
    E s ist bestimmt von übler Arroganz und geschrieben von oben herab, mit einem Einstieg wie diesem hier zu beginnen. Das sollte eigentlich, wie anfangs versprochen, tunlichst schon deshalb vermieden werden, um sich von Oberlehrern abzuheben. Für die Schilderung eines besonderen Falles, des gleich folgenden Falles, braucht es aber nun mal eine gewisse arrogante Grundhaltung. Denn der Mann, um den es gehen wird, ist der Kaiser unter den Blödmachern. Manche vermuten zwar, dass er sich nur tarnt, also in Wirklichkeit gar nicht nackt ist, sondern tut wie die Blöden, damit die ihn so lieben.
    Für diese These gibt es allerdings kein einziges Zitat, das man als Beleg dafür nehmen könnte. Mario Barth ist vermutlich wirklich so simpel wie seine Fans. Er überfordert sie nicht – ob absichtlich oder mangels Möglichkeiten, ist für die Analyse seines Erfolgs unwesentlich -, er eröffnet ihnen keine neuen Horizonte, was sie aber eh nur verwirren würde, bewegt sich in den ihnen durch ihre

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