Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)
verklärt, und moderiert im Liegen weiter.
Auf solche blöden Ideen muss einer erst mal kommen.
Blöden-Barth gehört nicht zur Spezies der Blödelbarden, obwohl er vielen von denen ähnelt, denn auch die verzichten, bewusst oder unbewusst, auf Witz und Ironie. König auf dieser parallel bespielten Bühne der massentauglichen Humoristen ist Otto I. Schon dessen Scherze waren oft nur zotig, aber im Vergleich zu den Zoten von Barth sind die von Waalkes reine Poesie.
Aus verschiedenen regionalen Seichtgebieten, wo nach der deutschen Einheit zusammengewachsen ist, was zusammengehört und zu lange getrennt war, wurde auf einer Woge der
Begeisterung Mario Barth nach oben geschwemmt. Oben blieb er. Die »Idioten« von »Stern«, »Spiegel«, »Zeit«, »Süddeutscher Zeitung« usw., die ihn von unten anpissten, hielt er für nützliche Vollidioten, denn je mehr die sich erregten, desto mehr liebten ihn die Seinen. Er wurde ausgezeichnet mit Best-Live-Comedy -Preisen, geehrt mit Goldenen Schallplatten für die Audioerfolge seiner Hörstücke, und im Jahre 2009, nachdem Barths Kinofilm Männersache , zum Kotzen komisch wie alles, was er so von sich gibt, mit ihm in der Hauptrolle eines, nun ja: Comedians Millionen begeisterte, ist Mario erst recht supergeil drauf.
Wer ihn dennoch aufgrund des unermesslich tiefen Niveaus, auf dem seine messbaren TV-Erfolge mit einem Marktanteil von 20 Prozent bei der begehrten Zielgruppe zwischen 14 und 49 Jahren beruhen, ein in der Wolle gefärbtes blödes Arschloch nennen würde, müsste mit einer Beleidigungsklage rechnen. Eine etwaige Einlassung, man könne sich nur mit derber Sprache gegen so derbsprachige Beleidigungen des Geschmacks wehren, wäre aller Ehren, aber juristisch betrachtet nichts wert.Also lässt man’s sein und begräbt den naheliegenden Gedanken, Mario Barth derb verbal zu beleidigen, an der Biegung irgendeines Flusses, der durch das Reich der Blöden fließt.
Als Kollateralschaden für die Demokratie dürfte Mario Barth zwar ungestraft bezeichnet werden, aber das kränkt ja weder ihn, noch stört es seine Anhänger, weil die nicht wissen, was mit kollateral und Demokratie gemeint sein könnte und wer dabei auf der Strecke bliebe, wenn es zum Crash kommen würde. Insofern ginge ihnen eine solche Schmähkritik am... – nein, das nun doch nicht – vorbei, jedenfalls wäre sie allen, Kaiser und Volk, herzlich egal.
Auch diese Behauptung ist ein übles Vorurteil, weil sie sich auf bloße Vermutungen stützt. Zu denen gehört die Annahme,
dass Verblödete und ALG-II-Empfänger die Mehrheit des Barth-Publikums stellen. Das weiß niemand, weil ALG-II-Empfänger ja nicht mal im Sommer an ihrem Outfit erkennbar sind.Wer Sandalen mit Kniestrümpfen zu kurzen Hosen trägt, könnte ebenso gut Holländer sein oder Schweizer oder eine ledige Beamtin der Bundesarbeitsagentur mit Pensionsberechtigung. Und selbst wenn die Vermutungen richtig wären, selbst dann hätten auch Blöde das Recht auf ein ihnen gemäßes Idol.
Das Stammpublikum von Mario Barth ist in allen sozialen Schichten zu Hause.
Weil Tickets dreißig, vierzig, fünfzig Euro und mehr pro Stück kosteten, kann die Mehrheit der siebzigtausend Fans, die an einem schwülwarmen Juliabend im Olympiastadion seinem Auftritt entgegenschwitzen, nicht das im Großraum Berlin staatlich anerkannte Berufsziel Hartz IV erreicht haben oder unverschuldet pro Monat mit dem auskommen müssen, was oberschichtige Angeber an einem Abend wie diesem bei ihrem Stamm-Italiener ausgeben.
Viele Stadionbesucher üben ein anständiges Handwerk aus, als Friseuse,Verkäuferin, Klempner, Busfahrer. Sie haben sich seit Monaten auf das Jahrestreffen der Barth-Gemeinde gefreut, so wie Schlesier sich auf Pfingsten freuen, weil sie sicher sein dürfen, dort Gleichgesinnte zu treffen. Das ist keine nur naheliegende Vermutung, das lässt sich schließen aus ihren Gesprächen, während sie auf den Auftritt von Super-Mario warten, der für sie die Sau rauslassen wird. So viele Menschen wie heute waren live noch nie unter freiem Himmel versammelt, um einem zuzujubeln, der sie für blöd verkauft, weshalb am Tag danach das Ereignis im Guinness-Buch als Weltrekord verzeichnet wurde.
Das grundsätzliche und Geschlechtsunterschiede verwischende Motto seiner im Fernsehen und bei Live-Auftritten
wie dem am 12. Juli 2008 in Berlin verbreiteten Lebensweisheiten hat er sich durch Eigenrecherchen vornehmlich auf Toiletten erarbeitet. Es drängte sich ihm da
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