Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)
du deine Stimme zwischen zwei Mülltonnen stellst, können wir ein schönes Familienfoto machen.« Oder:
»Ich hoffe, dass, wenn du morgens onanierst, dass da mehr rauskommt.« Oder: »Ich würde meine beiden Eier darauf wetten, dass du nicht singen kannst.« Oder: »Wenn ich so singen würde wie du, würde ich anschließend jedes Mal’ne Munddusche benutzen, damit die Scheiße rauskommt.« Oder, fast verzweifelt: »Die Hoffnung stirbt zuletzt, aber hoffentlich stirbt sie bald.« Alle seine Sprüche sind sorgfältig auf Pointe hin ausgedacht, sind von daher nicht spontan, wirken aber spontan als prollige Gossenhauer. Beim Gebotenen bar jeglicher Selbsterkenntnis ist ein Proll wie Bohlen, der seine ihm auf den gestählten Leib geschriebene Rolle perfekt verkörpert, dringend geboten.
Da es auf der Welt nicht gerecht zugeht, was selbst Blöde wissen, kann auch in der Scheinwelt bei der Suche nach dem Superstar nicht die Gerechtigkeit siegen. Meist geht als Rattenkönig ein männlicher Sangeskünstler durchs Ziel, weil im Finale zwar das Votum der Jury – in Wahrheit nur das des gnadenlosen Superjurors – noch zählt, aber die zuschauenden TEDisten mitentscheiden dürfen, wer wann rausfliegt und wer wie lange bleibt und wer schließlich gewinnt. Unter den Wahlberechtigten, die mit jedem ihrer Anrufe für RTL neben der Quote auch noch Mehrwert schaffen, weil der Sender an den anfallenden Gebühren beteiligt ist, bilden junge Mädchen die Mehrheit, und die wählen keine der Ihren, sondern einen der auftretenden Kerle, die sie supergeil finden, weil sie sich solche scharfen Typen für ihre mal guten, meist eher schlechten Zeiten des Alltags erträumen.
Und der andere Superstar? Die Schöne?
Tausende von aufgebrezelten Jungmädchen kreischen hysterisch bei ihrem Erscheinen. Heidi, Heidi – so verzückt, wie ihre Großmütter sich einst einer anderen Heidi näherten – allerdings lesend! -, die mit ihrem Opa auf der Alm lebte. Die strahlende Verkörperung des blonden deutschen
Durchschnitts beruhigt die Menge mit segnenden Gesten. Sie könnte stattdessen in solchen Momenten des ihr entgegenschwabbelnden kollektiven weiblichen Wahns verlangen, in möglichst kurzer Zeit live einer Konkurrentin die Augen auszukratzen, und alle würden es ohne lange nachzudenken ihr zuliebe tun.Wenn sie und ihre beiden männlichen Juroren bewerten, was sich vor ihnen bewegt, tänzelt, auszieht, kichert, wird es bei den Auftritten der Möchtegern-Models peinlich wie bei den vor Bohlen radebrechenden Sangeskünstlern. Aber weil hier eine Dame in der unberührbaren Gestalt von Madame Heidi den Ton bestimmt, bleiben die abwertenden Bemerkungen alle oberhalb der Gürtellinie.
Heidi Klum macht im Vergleich zu Mario Barth nicht nur Bella Figura. Sie wirkt sogar wie eine intellektuelle Lichtgestalt. Mit ihren Möglichkeiten, die stimmlich nach einer zum Leben erweckten Barbiepuppe oder einem gerade aus dem Nest gefallenen Kind von Woody Woodpecker klingen, ist sie zwar wie Bohlen eine künstlich erschaffene Prototype, aber sie besetzt die Rolle liebliche Märchenfee statt die des Kotzbrockens, sie ist die Schöne, er das Biest. Sie macht die Kandidatinnen nicht nieder, sondern gleichbleibend freundlich den kichernden Trampeln per Hüftschwung vor, wie man sich bewegen müsse auf dem Catwalk. Den selbst die Siegerin, wie man hören musste, nie wirklich betreten wird.
Heidi Klum als Jurorin ist eine vermütterlichte Domina oder auch dominierende Mutter, die laut Regieanweisung mitunter streng blicken muss, aber letztlich ihren Kindern alle Sünden vergibt, sogar warme Worte findet für die heulenden Susen in ihren Castings, sobald sie die den Regeln entsprechend aussortieren muss. Allen wird fürs Dabeisein gedankt und noch einmal versichert, dass sie ganz, ganz super waren, nur leider nicht super genug.Vielleicht reicht es mal für den Karrieresprung auf die Rückseite eines kostenlos
in renovierbedürftigen ostdeutschen Plattenbauten verteilten Anzeigenblatts.
Supermodel sucht Supermodel? Da lachen die beiden Herren Wolfgang Joop und Karl Lagerfeld, die sich sonst lieber aus dem Weg gehen, in gemeiner Übereinstimmung. Der eine schildert Heidi Klums angeklebte Locken und ihr Mienenspiel -«Wo in der High Fashion hat jemand dieses Dauergrinsen?« (Joop) -, der andere kann sich nicht daran erinnern, sie in Frankreich je auf einem Laufsteg der Supermodels gesehen zu haben, weil sie deren Klasse nie erreicht habe, und, angewidert allein
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