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Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)

Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)

Titel: Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Jürgs
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Superstars, aber viele Stars in allen Bereichen der zielgerichteten Forschung. Nur aus deren Kopfgeburten erwächst mal, was den Standort Deutschland konkurrenzfähig macht im Vergleich zu China, Indien, den Vereinigten Staaten. Statt wider bessere Einsicht, wider besseres Wissen aus Angst vor der Reaktion ortsansässiger Wähler weiterhin Kohleförderung mit Milliarden zu subventionieren, müssten Politiker den Rohstoff Bildung fördern. Zum Beispiel den Etat der Max-Planck-Gesellschaft, die nach Aussage ihres Präsidenten »fantastische Projekte« aus Mangel an Geld nicht verwirklichen kann, um fünf, besser um zehn Prozent erhöhen.
    Auch für den Abbau umweltschädlicher Dummheit sollte es Abwrackprämien geben. Wer freiwillig die Seichtgebiete verlässt, um sich vom Baum der Erkenntnis zu ernähren statt von Junkfood, wird mit Kopfgeld belohnt.
    Klingt ganz nett und phantastisch.
    Aber wie soll das gehen?
    Mit einem Milliarden-Konjunkturpaket für Bildung und Forschung und staatlichen Bürgschaften für innovative Startup-Unternehmen. In Krisenzeiten ausgerechnet da zu sparen, wird mal teuer. Heutige Versäumnisse kosten zukünftig Geld.Weil dann importiert werden muss, woran es im eigenen Land mangelt.
    Immer dann, wenn bei Wahlen die Partei der Nichtwähler
größer ist als die stärkste Partei unter den gewählten Parteien, wird von politischen Eliten, deren Versagen in sinkender Wahlbeteiligung deutlich wird, in reflexhaft abzurufender Betroffenheit mehr Engagement eingefordert. Jugendliche in der Diaspora deutscher Seichtgebiete Ost wie West haben sie jedoch schlicht zu lange den Blödmachern überlassen, ganz egal, ob die nun als Mario Barth verkleidet daherkommen oder als glatzköpfige Dumpfbacke.
    Mag ja sein, dass auch bei denen bereits alles zu spät ist. Das weiß aber niemand. Deshalb ist es nicht nur eine Frage der Ehre, einen Versuch zu wagen, sondern angesichts offensichtlich geringer Erfolgschancen eine coole Herausforderung. Den Nutzwert solcher Anstrengungen bereits vorab infrage zu stellen, wäre dagegen ziemlich uncool.
    Wie lassen sich Blöde am besten einfangen?
    Indem sie erst einmal ernst genommen werden, statt sie zu verhöhnen. Selbst wenn sie eine solche ernst gemeinte Annäherung nicht verstehen, selbst wenn es bedeuten würde, Perlen vor laut grunzende Säue zu werfen, statt sich in Übereinstimmung mit den Klugen stillschweigend zum Marsch Richtung Zukunft aufzumachen und die Blöden sich selbst zu überlassen, selbst dann dürfte ein Anfang nie so apokalyptisch daherkommen wie in den ersten drei Sätzen dieses Kapitels. Stattdessen wäre ein kleiner Zauber, der bekanntlich allen Anfängen innewohnen sollte, eine überraschende Taktik, um die Zielgruppe erst mal neugierig zu machen und so anzulocken.
    Dies im Sinn, werden deshalb zunächst die Farben aus den Paletten Traum und Wirklichkeit neu gemischt, bevor es irgendwann wieder gemein zur Sache geht. Aus diesem Anfang erwächst eine traumhafte Szene, eine malerisch verrückte, die es in Wirklichkeit noch nie gegeben hat und in der Wirklichkeit auch nie geben kann. Der Rahmen allerdings,
in dem sie stattfindet, ist von der Realität vorgegeben. Die Leisten sind zwar abgegriffen, weil sie in Aufarbeitung anderer echter Skandale oft gebraucht wurden, doch für jenes erträumte Kunstwerk stimmt tatsächlich die Vermutung, dass Kunst im Auge der Betrachter entsteht.
    Um die ihnen scheinbar vertraute Wirklichkeit neu zu erleben, müssten die Betrachter, Augen weit offen geschlossen, freiwillig in einen Traum abtauchen, in dem es für sie nicht nur heitere Szenen, sondern auch schreckliche Gestalten gibt, die aber gebraucht werden, um überhaupt mal der Blöden Aufmerksamkeit zu wecken. Die Probanden müssten zusätzlich und unmittelbar nach ihrem Erwachen aufschreiben, woran sie sich noch erinnern können.
    Das würde sich etwa so lesen:
    Morgensonne tastet sich vorsichtig durch die hohen Fenster an der Westseite des Reichstagsgebäudes. Da ihr kein Mensch im Saal gebührende Beachtung schenkt, spielt sie mit dem aufgewirbelten Feinstaub. Aus dem flirrenden Dunst tauchen dabei Gestalten auf und bekommen sichtbare Konturen. Da vorn im Licht zum Beispiel tänzelt einer, der aussieht wie Dieter Bohlen, hält Hof und grinst selbstgefällig in die auf ihn gerichteten Kameras.
    Ist er es tatsächlich?
    Er ist es tatsächlich.
    Man hätte ihn, obwohl die Sonne blendete, an seinen Manieren erkennen können, an den für ihn typischen

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