Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)
machen. Sie ist klug genug, nie zu erwähnen, dass ihre Durchschnittsnote im Abiturzeugnis 1,6 betrug und dass sich in ihrem vollbusigen Männertraum-Körper eine ironisch denkende Frau verbirgt. Ihr Motto klingt so blöd, dass keiner auf andere Gedanken als die naheliegenden kommt: »Wenn dir das Leben eine Zitrone gibt, frag nach Salz und Tequila.«
Wesentlich ist bei ihr und ähnlich bekannten Wortschätzchen nicht der Inhalt ihrer Bücher. Nur aufs Cover kommt es an. Das groß abgebildete Gesicht muss auf den ersten Blick den Kenn-ich-Effekt auslösen – kenn ich aus’m Fernsehen! -, damit auch Analphabeten zugreifen und sich in ihrem Freundeskreis jemanden suchen, der lesen kann und ihnen daraus vorliest. Peter Hahne zum Beispiel kennen sie als den gütigen Mann vom ZDF, der immer alle Politiker ausreden lässt und ihnen niemals ins Wort fällt. Er spricht, wie er schreibt. Mal ein Büchlein wie den Sach-Bloß-Bestseller »Leid – warum lässt Gott das zu?«, regelmäßig als Kolumnist eines populären Sonntagsblatts der Seichtgebiete, wo er seiner Leserschaft schonungslos härteste Fragen stellt. Ohn’ Ansehen der Thematik. Nachdem der prominente Fußballprolo Lukas Podolski dem prominenten Ballproleten Michael Ballack während eines Länderspiels auf dem Platz eine geballert hatte, fragte er zum Beispiel, ob dieser Ausraster »den Mangel an Respekt in unserer Gesellschaft« widerspiegle.
Zwar hätte sich angeboten die kurze Antwort: Pack schlägt sich, Pack verträgt sich. Doch am Beispiel der Ohrfeige ging es Hahne um ein »nationales Problem«. Sie war nicht irgendeine Klatsche, sondern »ein Schlag ins Gesicht einer Kulturnation, die den Begriff Respekt längst aus ihrem Wortschatz gestrichen hat [...] Respekt ist das soziale Schmiermittel, ohne das ständige Reibung entstehen würde.«
Das musste endlich mal gesagt werden. Darauf wäre außer ihm niemand gekommen.
Erfolg gibt all jenen recht, die sich keine Gedanken machen um ein etwaiges Renommee ihres Verlages, sondern den Tunnelblick fest gerichtet haben auf eine zweistellige Rendite ihrer Druckanstalt. Sie handeln nach dem kühlen Prinzip von Bundesliga-Fußballclubs, wonach es, wenn am Ende abgerechnet wird, keine Sau mehr interessiert, ob drei Punkte grandios erspielt oder mit Glück ermauert wurden.
Weil an dem Material, das sie drucken, sprachlich nichts zu verfeinern ist, denn dafür müsste zumindest ein Rest von Substanz erkennbar sein, an der sich feilen ließe, verzichten sie auf Lektoren. Das wird als zeitgemäßes Kostenmanagement verkauft. Die vor absonderlichen Absonderungen, verfasst für die Bewohner von Seichtgebieten, zurückschreckenden Verleger stehen mittlerweile auf einer Roten Liste bedrohter Arten. Wo Marketing- und Vertriebsabteilungen das letzte Wort über Wörter haben statt sprachgeile Lektoren und Programmleiter, entscheidet nicht die Qualität, sondern die Quote.
Woher kennt man das?
Richtig. Kommt von daher.
Wenn Deppen wie, sagen wir... nein, das sagen wir lieber mal nicht, sagt da der Anwalt des Hauses Bertelsmann, ein literarisch hoch gebildeter Mensch, garantieren können, dass sie mit ihren höchst unwesentlichen An- und Einsichten auch noch in Talkshows eingeladen werden, wenn sie um der Sache willen bereit sind, im übertragenen Sinne kurz den Rock zu lüften oder die Hosen zu öffnen, ist ihnen ein Platz auf der Bestsellerliste so gut wie sicher.
Es gibt, gezielt produziert für diese Gruppe, inzwischen »Bücher für Dummies« als zwar ironisch klingendes, aber ernst gemeintes Verlagsprogramm. Versehen mit »handlichen
Schummelseiten« und mit gezeichneten »Achtung, wichtig!«-Symbolen für besonders wertvolle Einsichten, erscheinen die in einem Spezialverlag. Beispielsweise wird in der »Deutschen Geschichte für Dummies« nicht lange fabuliert und analysiert, sondern leicht verdaulich in Häppchen dargeboten die Historie aufbereitet. Knapp, kurz, aber immerhin fehlerfrei. Erreicht werden Unverbildete, Ungebildete und Halbgebildete wie jene Zeitgenossin, die bei Jauchs Millionärs-Quiz auf die Frage, durch welches Verfahren im antiken Athen missliebige Mitbürger in die Verbannung geschickt wurden – a: Götterspeise, b: Henkersmahlzeit, c: Scherbengericht, d: Grillteller -, zu Grillteller tendierte und erst vom Publikum auf die richtige Spur gelenkt wurde.
Dummie-Autor Christian von Ditfurth, sprachbegabter Autor von intelligenten Kriminalromanen, hat im Sinne der Verlagsphilosophie die
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