Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)

Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)

Titel: Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Jürgs
Vom Netzwerk:
Buchmesse präsentiert werden, als handle es sich dabei tatsächlich um Bücher, nicht nur um von ausgebufften Marketingstrategen kühl platzierte Produkte für den Massenmarkt. Wenn in der einst nur der Literatur vorbehaltenen Halle E in Frankfurt vor einem Verlagsstand die Fotografen und Fernsehteams um die besten Plätze rangeln, wenn superlautes Gekreische die Tonlage bestimmt, wenn erblassende Damen ehrenwerter Häuser sich fluchtartig auf die Suche nach der verlorenen Zeit begeben, sind wieder mal Verdichter des Volkes eingetroffen, um am Stand des ihnen zugetanen Verlags für ihr aktuelles Leergut zu werben.
    Ob es sich dabei zufällig um Bruce Darnell mit »Drama, Baby, Drama« handelt oder, mit werbewirksam gestrecktem Mittelfinger, Stefan Effenberg mit »Ich hab’s allen gezeigt«
den Dichter gibt oder Dieter mit dem Bohlen-Weg »Planieren statt Sanieren«, dem ultimativen Leitfaden für alle, die wissen wollen, wie er es nach oben geschafft hat, seine Anhänger jubeln lässt, ist dabei egal. Der Protagonist, die Protagonistin müssen talkshowkompatibel sein, also am besten: jung, frech, allzeit bereit, alles mitzumachen und selbst die dümmsten Fragen auszuhalten.
    Je prolliger die Performance, desto größer die Chance, in den ihnen supergeil nahen Boulevardmagazinen des Fernsehens einen Auftritt zu haben. Auf das Urteil der Feuilletons legen sie alle keinen Wert, das lesen weder sie noch ihre Leser. Dass ein in »Bild« als Fortsetzungsgeschichte gedruckter Ausschnitt aus einem Werk nicht nur von Sprachlosen, bekannt aus Film, Funk, Fernsehen, sondern auch von intellektuellen Autoren wie Frank Schirrmacher das entsprechende kurz darauf erscheinende Buch zu einem Bestseller macht, ist im Übrigen ganz nebenbei der Beweis dafür, dass am Vorurteil, »Bild«-Leser würden außer »Bild« nichts lesen und verstehen, nichts dran ist.
    Die Sprachlosen schreiben, wie sie sprechen. Und sprechen, wie sie schreiben. Seit es sie zum Buche drängt, leider nicht, um mal eins zu lesen, leben aber zumindest die Ghostwriter gut von diesem Supermegatrend. Beten allerdings doch, dass niemand ihre Arbeit würdigt und dabei ihren Namen lobend erwähnt. Sie wissen ja, was sie tun, und schämen sich dafür.
    Den zweitgeistigen Buch-Stars hat ein gütiger Gott, der, wie am Beispiel Mario Barth schon bewiesen, alle Menschenkinder liebt, dies und jenes mit auf den Weg gegeben, aber darunter nie die Fähigkeit, sich schriftlich wortreich statt wortvergewaltigungstätig ausdrücken zu können. Es muss dennoch so etwas wie eine geheime trotzige Absprache geben unter den Leerschwätzern, sich nicht vorschreiben
zu lassen, wie sie schreiben, was sie schreiben, worüber sie schreiben, und erst recht nicht dann, wenn sie außer einem Autogramm kaum was Eigenes niederschreiben können.
    Solange Nichtsnutze und Nichtskönnerinnen, die erst später als das konkurrierende Leergut aus einem Dschungelcamp rausgeflogen sind, oder solche, die tagelang ununterbrochen mit einem ehemaligen Tennisspieler verlobt waren, in für sie bestimmten TV-Kanälen moderieren dürfen, egal was, dürfen auch alle anderen, die ebenfalls nichts zu sagen haben, Nichtssagendes von sich geben, also schreiben lassen. Selbst dann, wenn es ein zwischen zwei Deckel gepresstes Nichts bleibt.
    Wer im Meer der Blöden verzweifelt schwimmend ein rettendes Ufer sucht, muss dennoch nicht verzweifeln. Es gibt werktäglich die versendete Rettungsinsel namens 3sat Kulturzeit .Wenn sie Pause macht, am Samstag und am Sonntag, lässt sich die aus fünf vorhergegangenen Tagen gewonnene Information gewinnbringend umsetzen in selbst zu Erlebendes, in lebendige Kultur – Theater, Oper, Musik, Bücher. Wer sich dem entschleunigt hingibt, gewinnt Zeit für sich und verliert träumend die Angst, etwas Wichtiges zu versäumen. Und wer den »Du-warst-gut-wie-war-ich?«-Jahrmarkt der Eitlen bei den Messen in Leipzig oder Frankfurt scheut, kann sich dort sogar live auf die Kulturzeit-Inseln retten und am 3sat-Stand die Zeit anhalten, wenn sich lebende Autoren lebendigen Moderatoren stellen, die nur nach dem fragen, was sie zuvor nächtelang selbst erlesen haben.
    Es geht dabei stets um Sprachzauberer, nie um Sprachgaukler.
    Sonya Kraus, die ihre Karriere als gütige Fee im »Glücksrad« begann, ist nebenberuflich auch Autorin. Nach »Baustelle Mann« erschien 2009 »Baustelle Body«. Sie verpackt
genau das, was die Titel versprechen, in einfache Sprache, um sich verständlich zu

Weitere Kostenlose Bücher