Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)
verbreitet, und es ist ein besonders gutes Buch dann, wenn es sich besonders gut verkauft. Das zu behaupten ist grob verallgemeinernd, denn es gibt ja immer wieder die plötzlich entdeckten
literarischen Schätze am Ende des Regenbogens, und die sind dann begehrt bei Hunderttausenden von Lesern.
Bohlen hat eben nicht immer recht, der Kotzbrocken. In seinem Druckerzeugnis »Der Bohlenweg – Planieren statt Sanieren«, nach eigenen Angaben ohne Ghostwriter oder Schreibautomaten selbst verfasst, was man nach wenigen Zeilen bestätigen kann, verkündet der studierte Superstar in seiner Nebenrolle als Autor: »Scheiß auf das warme Kulturkissen, das vollgepupst unter dem breiten Hintern liegt, wenn das eigene Buch nicht gelaufen ist, so nach dem Motto: Die drei, die es geschenkt bekommen haben, fanden es gut. Das interessiert mich einen Scheiß. Ich will Erfolg! Ich weiß, dass das eine hochexplosive Aussage ist, aber für mich ist Erfolg das Maß aller Dinge. ERFOLG IST GEIL. Ende der Durchsage.«
Das steht da wirklich. Ehrenwort.
Verlegt worden ist das Buch, das ist wahr, im Heyne Verlag, der zu dem Buchkonzern gehört, in dem auch dieses Buch erscheint. Schade eigentlich, dass niemand rechtzeitig das Bohlen-Manuskript unauffindbar verlegt hat, statt es mit Tamtam zu verlegen. Hätte aber in diesen geilen Zeiten auch nichts verhindert, weil Bohlens Plattitüden bereits in einer Datei gespeichert waren.
Dennoch sind die Winde, die Bohlen erzeugt und zu denen er sich bekennt, betriebswirtschaftlich beschnuppert reine Duftwolken. Auf denen fliegen noch unbekannte Debütanten, deren Erstlinge sonst nicht finanzierbar wären. Man nennt dies unter Buchmachern eine Mischkalkulation. Und richtig, viele Autoren hätten tatsächlich keine feste Bleibe ohne Betriebswirte. Sie sind die Baumeister. Errichten das Haus, in dem Wörter wohnen dürfen. Sorgen dafür, dass die Statik des Gebäudes stimmt, die Mauern dick genug sind, das Dach nicht leckt und das Ganze auf festem Boden steht.
Ohne sie wäre das, was Bücher ausmacht, nicht machbar.
Aber ohne Buchschreiber wären sie nichts als Macher.
Zum Beispiel Manager, die Lidls Überwachungsvideos oder bei der Hypo Real Estate faule Papiere entsorgen oder eine Steuererklärung samt der ihm vertraglich zustehenden Pensionszahlungen für Klaus Zumwinkel erstellen müssten. Alles machbar. Aber längst nicht so glamourös und prestigeträchtig wie der aufregende Arbeitsalltag im zweitältesten Gewerbe der Welt.Von der Existenz des ältesten hätte man ohne die Verbreitung durch Erzähler, zunächst mündlich, dann schriftlich, übrigens nie etwas erfahren.
Wer schreibt, gehört zu jenen Lebewesen, aus deren Gehirnschalen Verleger einst ihren Champagner schlürften. In Zeiten der Krise tun sie das nur noch heimlich – öffentlich saufen sie Wasser, allenfalls bei Buchpräsentationen mit einer jungen Autorin mal ein Gläschen Prosecco.
Was ist der wesentliche Unterschied zwischen Buchschreibern und Buchmachern? Ganz einfach. Die einen halten im Leben alles für möglich, riskieren das unmöglich Scheinende. Die anderen suchen nach Möglichkeiten, jedes Risiko auszuschließen. Falls die Vertreter beider Welten in ihrer jeweiligen Welt aber Könner sind, entstehen für die Auftritte der einen durch das Bühnenbild der anderen erstklassige Inszenierungen, Seelen berührend, Köpfe belebend, Herzen öffnend. Falls sie versagen, schaltet das Publikum ab und anschließend um auf ProSieben oder RTL oder Sat.1. Gutes, Schönes,Wahres ist letztlich auch eine Ware, die sich verkaufen lassen muss.
In dieser neuen Welt halten sich Kellner für Köche,Wortsucher für Sinnsucher,Verlagschefs für Verleger. Die Sprachlosen führen das große Wort. So liest sich, was sie schreiben, oder hört sich an, was sie reden, und so spricht für sich selbst, was sie ausstrahlen.
Bei vielen bunten Blättern sind die Redakteure noch dümmer als ihre Leser. Das haben auch deren Vorgesetzte erkannt. Kein Wunder, dass Betriebswirtschaftler, Juristen und Ingenieure denen vorschreiben, was ihnen gerade einfällt. Das ist nicht viel, aber für die Zielgruppe reicht die Einbildung. Im Journalismus konnte man die Folgen bereits früher betrachten und lesen als in Buchverlagen. Die Klause der ihrer Herbergen beraubten Autoren, ob die nun im Himmel tagen oder sich in der Hölle zum x-ten Mal die Geschichten aus ihren guten alten Zeiten erzählen, ist wegen Überfüllung geschlossen. Auf der Warteliste stehen
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