Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)
Erstleser zwischen 14 und 49, also der auch von RTL und Sat.1 und ProSieben leidenschaftlich begehrten Klientel. Eifrige Nachahmer folgten der sichtbaren Spur des Millionenerfolgs. Mit Buchtiteln wie »Mösenbetrachtungen«, »Fucking Berlin«, »Bitterfotze«, »Schokospalte«, »Seelenficker« wurden die Seichtgebiete beschickt und aus männlicher Perspektive mit »Fleckenteufel«. Der Markt scheint noch lange nicht gesättigt.
Die Sachbuch-Bestsellerliste enthielte tatsächlich nur Biografien und Sachbücher, also keine als Sachbücher getarnten Leitfäden und Kalenderweisheiten oder Sach-bloß-Bücher, in denen es darum geht, ob Frauen besser einparken können als Männer, ob die sowieso alle nur Schweine sind, ob SPD/ CDU/FDP/LINKE/Grüne noch zu retten sind oder ob die englischen Durchsagen bei der Deutschen Bahn akzentfrei im Oxford-Englisch gesprochen sind, das natürlich alle beherrschen, die in den ICEs unterwegs sind.
Auf der vierten Liste ginge es analog zum Massengeschmack in der Belletristikliste 2 um Bücher aus dem Bereich Lebenshilfe. Wie man eine Pilgerreise unternimmt und sich dabei nicht verirrt. Es sind vor Hape Kerkeling ja schon viele auf Wanderschaft gegangen, aber nur ihm ist es erfolgreich gelungen, die deutsche Wanderlust mit der anderen deutschen Sehnsucht zu verbinden, im Weg das eigentliche Ziel zu sehen. Der als Harald-Schmidt-Adlatus aus dem Fernsehen bekannte Manuel Andrack begnügte sich mit Sehnsucht eins und stolperte durchs mittelgebirgige Vaterland, doch auch sein Buch schaffte es auf die Bestsellerliste.
Solche Erfolgsgeschichten sind die konsequente Fortsetzung
der Erfolgsgeschichten aus dem Metier der Plappern-den. Wer nicht singen konnte und nicht tanzen, aber irgendwie geil ankam, schaffte es trotz hörbar sichtbarer Mängel dennoch zu irgendeinem Superstar. Warum sollte jemand, der nicht schreiben kann und nicht denken, es also auf dem Buchmarkt nicht schaffen?
Eben.
Gern gekauft wird deshalb die gebundene Fortsetzung der üblichen Dauerbrenner aus Frauenzeitschriften – was viele Männer für die eigentliche Ursache dafür halten, warum sie Frauen nie werden verstehen können: Wie Paare ihr Glücksgeheimnis lüften und vom Gelingen ihrer Liebe erzählen. Wie Frauen von ihren besten Jahren sprechen, die dann kommen, wenn sie älter werden.Wie man abmoppelt, ohne seine Fröhlichkeit aufzugeben. Wie auch immer irgendwas, aber immer irgendwie auch so ähnlich.
Kein Verleger oder Verlagsmanager, und mag er noch so guten Willens sein, kann heute selbst lesen, was in seinem Verlag jährlich produziert wird. Bei der internationalen Verlagsgruppe Random House sind es monatlich rund zweihundert Titel aus allen möglichen Bereichen – Belletristik, Sachbuch, Ratgeber, Kinderbuch, Biografie usw. Vertrieb, Marketing und Lizenzabteilung haben deshalb bei jedem Titel ein paar Wörtchen mitzureden. Allerdings gibt es noch keine Schreibautomaten, in die die gängigen Zutaten für einen Erfolg geschüttet und die anschließend geschüttelt werden – und hinten unten kommt dann Bohlen oder Bushido raus.
Gut verkäuflicher Stoff für gewisse Bedürfnisse, Romane oder Sachbücher in den Listen 2 und 4, muss entweder erfunden oder gefunden werden. Solcher Stoff liegt selten offen auf der Straße, meist verborgen in den Gassen, oft nur in den Gossen. Das war früher aber nicht anders.Von wegen alles und alle seien besser gewesen in der guten alten Zeit.
Bücher der einfachen Art wurden vorab gedruckt, zum Beispiel in der »Gartenlaube«, mit einer Auflage von 380 000 Exemplaren damals so beliebt wie heute die viel- und einfältigen Produkte der Yellowpress, und anschließend in Massen verkauft.
FAS-Autor Peter Lückemeier, Sonntag für Sonntag mit seiner »Herzblatt«-Kolumne ständiger Begleiter einer nicht gesellschaftsfähigen Gesellschaft, über die noch zu lästern sein wird, nennt sie schlicht Knallpresse. Ob nur deren Macher einen Knall haben oder ihre Leser, weil sie sich regelmäßig für dumm verkaufen lassen und dafür auch noch bezahlen, weiß auch er nicht. Seine Bücher übrigens sind undeutsch heitere Bücher, also unbedingt empfehlenswert.
Seichtes zu verbreiten, wobei wie bei der Kriegsberichterstattung als Erstes die Wahrheit auf der Strecke bleibt, ist keine neue Strategie, die eine Schar von Anwälten gut ernährt. Gedrucktes von Blödmachern für Blöde hat Tradition.
Neu dagegen ist, dass Druckwerke von Sprachlosen beispielsweise auf der Frankfurter
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