Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)
gesamte Abendprogramm, das frei von Werbung nach 20 Uhr gesendet wird, machen fünftens zukünftig nur noch Befähigte, vergleichbar dem Vorstand eines Unternehmens in der freien Wirtschaft, der verantwortlich ist für das operative Geschäft. Im Fall ARD ist ein erfolgreiches Programm mit nachhaltigem Inhalt das Geschäft. Die entmachteten Regionalfürsten entscheiden sechstens wie bisher, aber autark, was in ihren heimatlichen Sendern läuft. Sie liefern auf Anfrage oder mit ihren Angeboten dem eigentlichen Ersten siebtens zu, was verlangt wird oder was sie sich ausgedacht haben. Die dritten Programme veranstalten zwar die üblichen Talkrunden und kommen ihren Sendepflichten für Regionales nach – Wie singt der Sachse? Wo jodelt der Braunbär? Was fließt die Saar runter? Wo herrscht Stau im Ruhrgebiet? Wann wackelt die Heide? usw. -, werden jedoch hauptsächlich als Spielwiesen für Talente betrachtet und gefördert. Hier darf sich achtens bereits früh austoben, Frau oder Mann, Ost oder West, was mal zentral für höhere Aufgaben infrage kommt.
Weil diese Vision nie Wirklichkeit werden wird, weil die Theorie an der Praxis scheitert und sofort in den Ablagen verschwindet, sobald es um Namen geht, wird sie hier neuntens wenigstens einmal namentlich ausgemalt:
Erster Generaldirektor wie der bei der BBC wird Nikolaus Brender, dessen Vertrag als Chefredakteur des ZDF im Jahre 2010 ausläuft und dessen Absetzung eine von Betonköpfen
gesteuerte CDU-Riege munter betreibt. Er kann, was er macht, und machte im Zweiten vor, was trotz aller Fallgruben sogar innerhalb des Systems möglich ist. Fernsehfilme verantwortet Bettina Reitze vom Bayerischen Rundfunk, sie ist einfach die Beste. Ihre erste Amtshandlung besteht darin, dass sie per Hausmitteilung bittet, zukünftig die Bezeichnung TV-Movie, mit der unzählige unterirdische Plotten geadelt worden sind, den Privaten zu überlassen. Sie hat Weisungsrecht auch bei der Degeto, kann deshalb par ordre de mufta geplante Einkäufe oder Eigenproduktionen von allzu Seichtem im Keim ersticken. Der jetzige ARD-Chefredakteur Thomas Baumann wird Koordinator für Gesellschaft und Politik und Kultur und beaufsichtigt Magazine und Dokumentationen, die von starken Ressortchefs geleitet werden.
Für die Unterhaltung, wo die Schnarchquote noch viel höher ist – denn Entertainment lebt nun mal von Kreativität und Wahnsinn -, wird Thomas Schreiber vom NDR mit Kompetenzen ausgestattet. Er muss nicht mehr wie bisher im Land rumreisen und in jeder Anstalt um Beistand für neue Ideen bitten, sondern diese anordnen. Für den Samstagabend müsste vom WDR Zimmer frei , heitere Unterhaltung auf bestem Niveau, fürs Erste freigegeben werden. Hape Kerkeling ist teuer, aber das Gehalt von mindestes vier Programmdirektoren wert, falls er nicht schon wieder mal weg ist. Günther Jauch muss endlich wieder dahin, wohin er gehört, koste es, was er wolle. Eine investigative Reportercrew für Dokumentationen mit nutzwertigen Enthüllungen wird als feste Einrichtung für den Montag eingeplant. Die Polit-Magazine leiden unter zu kurzer Sendezeit, aber bis auf Panorama und Monitor krankt es auch zu oft an Inhalten. Wesentlicher wäre es, Schwerpunkte zu setzen, statt im Alarmdeutsch betextete Aufreger der Güteklasse »Platte
Reifen von Lastwagen in Niederbayern«, »Hartz-IV-Ungerechtigkeiten in Hessen Süd« oder »Ausbeutung von alleinerziehenden Nazi-Großmüttern in Sachsen-Anhalt« zu versenden. Wie gut man ein Magazin machen kann, macht das ZDF mit Frontal 21 ja vor.
Natürlich müssen für ihre Gebühren auch jene bedient werden, die einfachen Gemütes sind, alle in den Seichtgebieten beheimateten Armen im Geiste. Schunkelnde Dialektbrüderundschwestern reichen aber einmal pro Woche. Für die freiwillige Aufgabe eines festen Sendeplatzes wird wie bei der bundesweiten Aktion gegen Blöde und Verblödung eine Abwrackprämie nur dann bezahlt, wenn parallel zum Antrag eine zündende Idee für ein Alternativprogramm vorgelegt wird. Dass die Deutschen, wir alle also, immer älter werden, ist leider wahr.Aber noch sind nicht alle so verkalkt, so verstützstrumpft, so verblödet, dass sie außer Volksmusik nichts mehr hören wollen. Die Mehrheit ist durchaus noch in der Lage, die Knöpfe auf der Fernbedienung zu ertasten.
Mister ARD Struve wusste genau, was er anrichten würde mit dem, was er über viele Jahre dann anrichten ließ, verachtete insgeheim, was die Zuschauer begeisterte, hätte sich
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