Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)
Gegenmodell zum zentral gesteuerten Staatsrundfunk der Nazis, sowie das später gezeugte ZDF sind beide in die Jahre gekommen. Natürliche Falten werden von hauseigenen Maskenbildnern geschickt überschminkt, doch sie bleiben sichtbar. Die Krise der Großen ist zwar nur eine Lebenskrise, wie sie in einem bestimmten Alter jeden, auch außerhalb von geschlossenen Anstalten, ereilen kann. Daraus ließe sich gestärkt wieder
auftauchen.Voraussetzung allerdings sind eine ehrliche Diagnose, eine mitleidslose Therapie und für eine dann stabile Zukunft die Einsicht, dass ein Rückfall tödlich sein könnte. Patienten in einen Heilschlaf zu versetzen mag kurzfristig wirken, ändert aber nichts an den Ursachen diagnostizierter Schwächen. Nur eine Radikalkur hilft. Die tut weh. Die dauert.Aber manche Chancen gibt es, wie im echten Leben, nur ein einziges Mal.
Das Erste liegt ja nicht etwa im Koma, es wurde von Struve & Co. nur ruhiggestellt, rührt sich nicht mehr recht seinen Möglichkeiten entsprechend. Es ist ein Fitnessprogramm erforderlich. Unter den täglich ausgestrahlten rund 1400 Stunden Rundfunk und 240 Stunden Fernsehen ist einfach zu vieles, was als Folter durch versendete Dummheit definiert werden darf, als Verletzung der Menschenrechte, die schließlich auch für Gebührenzahler gelten.
Ob die vor Jahrzehnten geschaffenen Strukturen noch zeitgemäß und manche Inhalte nicht mehr perfekt, sondern Plusquamperfekt sind, darf zumindest höflich gefragt werden. Viele der 24 000 fest angestellten Insassen in den neun Anstalten der ARD und viele in der zentralen Bergfestung ZDF fragen sich das auch. Weil die Systemveränderer von innen unter Druck gesetzt werden, muss ihnen durch Druck von außen geholfen werden.
Manche Planstellenbesitzer sind hauptsächlich damit beschäftigt, die Ideen freier Produzenten und kreativer Aushäusiger auszusitzen oder in die öffentlich-rechtliche Ablage zu verbannen.Wenn die hier gemeinten TV-Beamten sparen müssen, kürzen sie als Erstes die Honorare der Freien. Ihre Gehälter samt Zulagen bleiben unberührt. Diese Arroganz der Macht, verbeamtet und verfettet auf Lebenszeit, ist systemimmanent. Um dieVerfettung abzubauen, die Verkrustung aufzubrechen, müsste das System radikal geändert werden.
Nötig wäre eine Kulturrevolution. Bei der BBC, traditionsreiches Vorbild für Rundfunk- und Fernsehanstalten in der westlichen Welt, sind nach Amtsantritt des Generaldirektors Mark Thompson 2500 Stellen in der Verwaltung abgebaut und das eingesparte Geld ausschließlich ins Programm gesteckt worden. Denn nur ein gutes Programm sichert die Zukunft derer, die es heute verantwortlich leiten. Macherinnen und Macher mit unverwechselbarem Profil, mit Risikobereitschaft, Fantasie, Haltung, Bildung – ja, Bildung! – sowie einer unzähmbaren Lust am Widerspenstigen, zu ändern, was zu ändern ist.
Aus Angst, ermordet zu werden, wurde seit den Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts, als das Zeitalter des privaten Fernsehens begann, von den Öffentlich-Rechtlichen Selbstmord in Raten begangen, statt sich der Herausforderung selbstbewusst zu stellen. Die Formel der ARD und des ZDF darf eben nicht wie bei der Konkurrenz lauten: Qualität oder Quote, sondern Qualität und Quote und im Zweifelsfall auch Qualität ohne Quote. Dafür und nicht für die Startgebühr beim Rattenrennen mit den anderen sind die Einnahmen durch staatlich garantierte Gebühren gedacht.
Das zentral geführte ZDF hat es leichter als das föderale Konstrukt ARD. Es reden auch in Mainz viele mit, manche nicht nur befugt qua politischen Amts, wie Roland Koch oder Edmund Stoiber, sondern qua Leistung und Können, aber am Schluss der Debatten entscheidet einer, der Intendant. Der wirkt grundsätzlich gegen Ende seiner Amtszeit stärker als zu Beginn, was daran liegt, dass Markus Schächter ein aufrechter Mann ist und ihn das für eine Wiederwahl nötige Wohlwollen von graugesichtigen Gremlins nicht mehr interessieren muss. Bei der ARD reden neun Intendanten mit, und irgendeiner steht immer gerade zur Wahl.
Da müsste erstens das bisherige System dran glauben, und auf dessen Trümmern zweitens radikal Neues gebaut werden. Die Intendanten, Direktoren, Chefredakteure der Landesanstalten würden zwar drittens ihre Ämter und Privilegien wie Dienstwagen und Fahrer behalten dürfen.Aber die Intendanten werden viertens qua Amt delegiert in einen Aufsichtsrat, als oberstes Gremium der überregionalen Mutteranstalt ARD. Das
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