Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)
Gierigen machten. Das haben wir alle gern gesehen, egal, in welchem Programm es gezeigt wurde. Schadenfreude ist schichtenübergreifend die allerschönste Freude. Da wird nicht umgeschaltet.
Auf welche Art Struve es schaffte, mit dem Ersten nachhaltig Erster zu werden, verstörte zwar seine Kritiker, ihn jedoch störte es nie. Seine Mittel heiligten ihm den Zweck. Hauptsache, es würde ihm letztlich gelingen.
Es gelang ihm.
Nachdem der Ruf erst mal ruiniert war, galt der Mann vom Ersten auch bei jenen Zulieferern der Seichtgebiete, die sich vorrangig um zu vergebende Sendeplätze bei den Privatsendern schlugen, als erste Adresse. Diesem Landschaftspfleger trauten sie als Einzigem in der ARD zu, selbst kümmerliche Pflänzchen bar jeglicher Einfälle so zu düngen, dass sie im Fernsehgarten ARD erblühten.
Struve enttäuschte sie nicht.
Da der oberste ARD-Gärtner klüger war als seine Konkurrenten von den kommerziellen Sendern, muss er strenger beurteilt werden als die.Von den Privaten erwartet niemand Experimente. Niemand verlangt von ihnen den Mut, in der Unterhaltung riskante neue Formate für den Massenmarkt Unterhaltung produzieren zu lassen, wenn die üblichen Verdächtigen nur ausgetretene Pfade beschreiten.
Also alle möglichen Varianten zu senden von unterschichtige Frauen suchenden Bauern oder von halb debilem, nach Bräuten Ausschau haltendem Landadel oder ganz allgemein von der Sehnsucht nach Ruhm und Geld und Sex. Den bislang peinlichsten Einmarsch der Plagiatoren – und das heißt schon was angesichts der vielen versendeten Peinlichkeiten – schickte im Sommer 2009 ProSieben unter dem Titel Germany’s next Showstar in die Arena. Mitmachen durften Künstler, Akrobaten, Tänzer, Sänger. Es sollten sich nur Paare bewerben. Erster Preis: Die Sieger müssen mit dem Juror DJ Bobo auf Europatournee gehen.
Kommerzielle Sender sind Selbstversorger, müssen sich selbst ernähren. Keiner zahlt ihnen spezielle Pflanzenschutzmittel oder die langjährige, teure Aufzucht seltener, edler Gewächse. ARD und ZDF dagegen verfügen jährlich über mehr als 7,5 Milliarden Euro an Gebühren, eingetrieben durch die GEZ, wovon auch Dutzende von Rundfunkprogrammen zehren. Obendrauf kommen noch einmal 350 Millionen Euro an Werbeeinnahmen, denn bis 20 Uhr ist auch ihnen Werbung erlaubt. Dafür möchte ein Gebührenzahler von ihnen aber nicht nur bei Fernsehfilmen, bei Dokumentationen und Reportagen, bei den Themen Kultur, Wissenschaft, Politik,Wirtschaft, sondern auch bei leichter Unterhaltung mehr sehen als das, was man in den letzten Jahren zu oft zu sehen bekam.
Wieder mal ein Pauschalurteil. Deshalb muss differenziert werden, um Beifall von der falschen Seite zu ersticken. Wo sonst auf der Welt bekäme ein Kunde für etwas mehr als siebzehn Euro im Monat so viele Möglichkeiten geboten, sich zu unterhalten oder nachhaltig seinen Horizont zu erweitern? Eben.
Mit dem Zweiten sieht man, was Unterhaltung betrifft, nur noch verschwommen. Irgendwann sind auch die letzten
vorzeigbaren deutschen Besten, moderiert von Johannes B. Kerner, wie ein Drops ausgelutscht, irgendwann wissen alle, wie schlau die Deutschen wirklich sind, weil sie es seit Jahren schon auf RTL bei Günther Jauch spielerisch erfahren haben, irgendwann hat Thomas Gottschalk keine Lust mehr, Freaks mit abartig speziellen Begabungen in Hundescheiße riechen zu lassen, damit sie die kotwerfende Rasse erschnüffeln. Irgendwann reicht der Verweis auf Neues aus der Anstalt als ein genialer, aber ziemlich einsam in der ZDF-Landschaft stehender Einfall nicht mehr.An überraschenden U-Ideen herrscht Mangel auf dem Lerchenberg.
Müsste sich deshalb ZDF-Unterhaltungschef Manfred Teuber einer unabhängigen Jury stellen statt einem abhängigen Verwaltungsrat, wäre seine Karriere im TV-Showbusiness gefährdet. Zieht man unterhaltende Veteranen wie Traumschiff, Leute heute, Carmen Nebels Willkommensgrüße, Tierische Schnauzen oder die alljährlichen Karnevalstumbenfeiern ab, bleibt kaum Innovatives übrig. Es stört der Mangel an Einfällen beim ZDF weniger als bei der ARD, weil sich das Zweite vorrangig – und dafür erstklassig aufgestellt – als Aufklärungsschiff im Dienste der Information und des Journalismus versteht und eben nicht mehr als der Unterhaltungsdampfer, der er früher mal war. Bei jener oft zitierten, Begehrlichkeiten weckenden Zielgruppe im Alter zwischen 14 und 49 sieht das Zweite verdammt alt aus.
Die ARD, einst gegründet als föderales
Weitere Kostenlose Bücher