Seidene Küsse
dass sie ihre natürliche Hemmschwelle bereits überschritten hatte. Geschmeidig wie eine Boa schlängelte sie sich von Antonios Körper und richtete sich auf. Doch keinen Hautkontakt zu ihm zu haben, fühlte sich an, als hätte man ihr ein Glied amputiert. Instinktiv griff sie nach ihm. Er strich ihr zärtlich das zerzauste Haar aus dem Gesicht, sah sie mit wesentlich größeren blauen Augen an und flüsterte rau:
»Komm. Wir gehen.«
Patrizias einziges Interesse bestand nun darin, den Blickoder Körperkontakt zu Antonio nie mehr abbrechen zu lassen. An seiner Hand ließ sie sich in ihrer nassen Unterwäsche, ihr Sommerkleidchen stolz um die Schultern gehängt wie eine edle Pelzstola, zurück zum Parkplatz führen.
In Antonios Mercedes, dessen Vordersitze auf magische Weise nun eine große, einladende Liegefläche mit der Rückbank bildeten, schlängelte sich Patrizia sofort aus ihren nassen Sachen, die ihr wie eine viel ältere, weil faltige Haut am Körper klebten. Sie war nackt, und es dauerte keine Sekunde, da stürzten sie sich wie ausgehungerte Löwen aufeinander, rangen mit-einander, rissen einander, verwundeten einander.
Weder spürte Patrizia das harte Lenkrad, das einen tiefen Abdruck auf ihrer Hüfte hinterließ, noch den Schaltknüppel, der sich später vorwitzig in ihren Po bohrte. Auch dass der raue Sitzbezug langsam, aber stetig ihre Knie wund scheuerte, bemerkte sie nicht, denn ihre Sinne befanden sich auf einer Führung durch den appetitlichsten Delikatessenladen. Seine Schweißperlen waren wie prickelnder Champagner, den sie gierig wie eine Ertrinkende von der babyzarten Haut unt er seinen Achseln leckte. Gleichzeitig kostete ihre Zunge salzigschlüpfrige Austern, der verführerische Duft süßklebriger Feigen stieg ihr in die Nase und vermengte sich mit dem Aroma reifer Erdbeeren und saftigweicher Pfirsiche zu einem einzigartig köstlichen Bukett. Ihr lief das Wasser im Mund und vor allem da, wo es jetzt am dringendsten gebraucht wurde, zusammen. Hungrig biss sie in sein muskulöses Fleisch, als wäre er ein Laib duftig-frisches Brot, aus dem sie wie als Kind auf dem Nachhauseweg vom Bäcker immer Stücke gerissen hatte, während Antonio unaufhörlich die wohl klingendsten italienischen Liebesworte murmelte.
Ebenso wenig nahm sie wahr, dass das gut gefederte Fahrzeug in ihrem leidenschaftlichen Rhythmus mitschwang wie ein Schiff bei hohem Seegang und so sämtliche Aktivitäten im Inneren höchst indiskret ans Tageslicht brachte. Aber erst als jenseits des beschlagenen Beifahrerfensters ein neugieriges Gesicht auftauchte und eine Stimme sie in derbem Bayerisch aufgebracht beschimpfte, gelang es ihnen, voneinander abzulassen. Ein scharfer Blick von Antonio, und der pseudoprüde Spanner mit Strohhut suchte das Weite.
Der Gedanke, ihre nasskalte Unterwäsche wieder anziehen zu müssen, brachte Patrizia zum Schaudern. Antonio nahm ihr die Entscheidung ab und die Unterwäsche weg.
»Lass das sein. Ich will, dass du was von mir trägst. Sag mir, wohin.«
Irgendwie schienen Antonios »Keine Widerrede«-Worte direkt mit ihrem limbischen System zu kommunizieren, ihr Sprachzentrum aufs Unverschämteste links (oder rechts?) liegen lassend.
Das Einzige, was Patrizia ab jetzt und für immer auf ihrer Haut spüren wollte, war Antonios Haut, und so hatte er bereits die Lehne des Fahrersitzes hochgeschraubt und war losgefahren, als sie noch auf der Liegefläche mit ihrem widerspenstigen Kleid kämpfte. Die Welt da draußen, die »anderen«, schienen ihr plötzlich fremd, als sei sie die Touristin, und so dirigierte lediglich ihr Unterbewusstsein ihn zum elegantesten Kaufhaus der Stadt.
So schnell hatte Patrizia noch nie ein Kleidungsstück gekauft. Das geschäftige Treiben in diesem Luxustempel machte sie ganz wuschig, und in ihrem Mund schien sich die Wüste Gobi flächendeckend auszubreiten.
»Ich habe Durst«, sagte sie mit belegter Stimme, als sie mit der neuen Seiden-Unterwäsche unter dem alten Kleid aus der Umkleidekabine kam.
Sein blauer Blick so tief wie die Adria, antwortete Antonio: »Ja, du hast Recht. Entschuldige. Es ist sogar sehr wichtig, dass wir viel trinken.«
Das mediterrane Dachrestaurant, zur Gänze unter freiem Himmel und deshalb nur bei guter Witterung geöffnet, setzte dem Kaufhaus sozusagen die Krone auf. In einer abgelegenen Ecke des weitläufigen Dachareals suchten Patrizia und Antonio hinter ausladenden Bougainvillea-Büschen in riesigen Terrrakottakübeln Schutz vor
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